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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Schreibtisches, alt und verbraucht. – Sein Leben fließt geräuschlos dahin, wie der fseine Staub einer alten Standuhr. Seine Verrichtungen vom ersten Erwachen bis zum späten Abend gehen den regelmäßigen Perpendikelgang. Er selbst ist eine Menschenuhr, gleichsam die der Schlaf aufzieht und die wachend abläuft. Wenn ein Wagen vorüberfährt, und er ist mitten in der Rede, so schweigt er still, um seine Stimme zu schonen. Er meidet alles, was ihn ereifern, aufregen, rühren kann, um nicht mehr Lebenskraft zu konsumieren, als eben notwendig ist. Wenn er jemandem im Geschäfte die Haut über die Ohren gezogen, und der nun böse wird, so schweigt er still und denkt an etwas anderes, um weder sein Gehör noch Gefühl unnütz zu verbrauchen. Hat sich aber das Schlachtopfer heiser geschrien, so fängt er wieder an zu reden und gegenwärtig zu sein, und das Geschäft geht seinen Gang fort.
    Um acht Uhr abends indessen fängt dieses Menschenuhrwerk an aufzuleben, reibt sich die Hände, freut sich seines Tagewerkes und Gewinnes. – Sein feuchtes, finsteres Haus, Rue de Grec, gehörte ehemals zu einem Kloster, die Zimmer desselben sind alle von einerlei Größe, gehen alle auf einen Korridor hinaus und empfangen ihr Licht von einer und derselben Seite. Ich bewohnte dies Haus, seinem Hausherrn ähnlich wie die Austernbank der Auster, sieben Jahr lang und war das einzige Wesen, mit dem er mehr als das Notwendigste sprach. Er holte Feuer bei mir, borgte sich Bücher, und abends war es mir sogar erlaubt, ihn in seiner Zelle zu besuchen. – Ob er Eltern hat, ob Anverwandte? – Ich weiß es nicht! – Morgens macht er sich selbst seinen Kaffee. Ein Speisewirt bringt ihm sein Mittagsmahl, und eine alte Portiersfrau säubert täglich sein Zimmer. – Durch einen Zufall, den Poeten aus der neuen Schule vielleicht als Sympathie des inneren Menschen mit seinem äußeren Schicksal betrachten würden, heißt dies seltsame Wesen Trockenschling.
    ›Gott grüß Euch! Vater Trockenschling,‹ sprach ich (eines Abends in sein Zimmer tretend), da er, seine Geschäfte überlegend in einem Lehnstuhle saß und sich die Hände rieb. ›Ihr seht ja heut so bös aus, wie damals, als Ihr den Bankerott des ... erfuhrt.‹
    Er antwortete mit leiser Stimme: ›Ich bin sehr froh!‹
    ›Seid Ihr's bisweilen?‹
    Er zuckte die Achseln, spreizte die Finger, blickte mich an mit seinen Katzenaugen und sprach: ›Mein lieber Sohn, es gibt kein spaßhafteres und vergnüglicheres Leben als das eines Geldwechslers.‹
    ›Wie ist das möglich?‹ fragte ich.
    ›Wüßtest du, mein Sohn, was ich diesen Morgen alles erlebt habe, du müßtest eingestehen, daß es kein reicheres und lustigeres Leben gibt als das meinige. Höre zu!‹ – Er erhob sich, schob die Riegel vor seiner Tür, zog einen alten Vorhang zu, dessen Ringe auf der rostigen Stange kreischten, und setzte sich nieder.
    ›Ich hatte diesen Morgen nur zwei Wechsel einzukassieren,‹ hub er an. ›Ein hübscher, junger Mann hatte mir das erste Papier überreicht, er kam in einem Tilbury angefahren, es war von einer Gräfin, einer der schönsten Frauen in Paris, der Gattin eines reichen Gutsherrn, unterzeichnet und lautete auf 1000 Franken. – Wie kam es in die Hände des hübschen jungen Mannes? – Je nun, das kümmert mich nicht! – Das zweite Papier, nur 100 Franken wert, war mit Fanny Malvaut unterzeichnet. Ein Kaufmann hatte es mir dargereicht. Die reiche Gräfin wohnte Rue de Helder und Fanny Malvaut Rue Mont- Martre. – Ich dachte mir unterwegs: wie, wenn diese Damen nun auf meinen Besuch nicht vorbereitet wären, mit welchen Ehrenbezeigungen werden sie mich alsdann wohl empfangen? – Was tut man nicht um 1000, um 100 Franken? – Welche freundliche Mienen, welche süße Stimmen erwarten wohl den Inhaber dieses Papiers? – Welche zärtlichen Worte, welche Bitten halten sie wohl in Bereitschaft? – Trockenschling! du hast ein weiches Herz – darum halt dich tapfer. Was sind Bitten und süße Worte, sie gehen zu einem Ohr herein und zum andern hinaus, aber Franken! die sitzen fest in der Tasche. – Trockenschling! für dein Geld haben sie sich lustig gemacht, und du hast gedarbt, gearbeitet. – Sei unerbittlich – zeig dich als Rachegeist. – Steh fest wie das böse Gewissen. –
    Ich betrat das Hotel Rue de Helder.‹
    ›Die gnädige Frau ist noch nicht aufgestanden,‹ sagte ein Kammerkätzchen.
    ›Wann wird sie zu sprechen sein?‹
    ›Um zwölf Uhr!‹
    ›Ist die gnädige

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