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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Frau krank?‹
    ›Nein, mein Herr! aber sie ist erst um drei Uhr vom Balle gekommen.‹
    ›Gut! Sagen Sie der gnädigen Frau, ich sei da gewesen und käme wieder punkt zwölf. Mein Name ist Trockenschling.‹
    ›Hierauf ging ich nach der Rue Mont-Martre, ich fand ein sehr einfaches Haus, ein alter Torweg führte auf einen finstern Hof, den die Sonne nie beschien. Ein grauer Portier öffnete das verwitterte Fenster seiner dunklen Loge.‹
    ›Mamsell Fanny Malvaut?‹
    ›Ist ausgegangen! Aber wenn Sie Herr Trockenschling sind, so ist Geld für Sie da.‹
    ›Ich komme wieder,‹ sagte ich, ›denn wie ich hörte, daß der Portier das Geld habe, war ich auf die Bekanntschaft der Dame neugierig. Sie ist noch jung, dachte ich mir.
    Den Vormittag brachte ich auf den Boulevards zu.
    ›Ach! was ist ein solcher Spaziergang doch wert!‹ – ›Wert? Sie könnten glauben, daß ich von den Annehmlichkeiten einer Morgenpromenade rede? Um frische Luft und Sonnenlicht zu genießen, braucht man kein Millionär zu sein. – Es war meiner Gesundheit zuträglich! – Je nun, dieser Vorteil fällt mir jetzt erst bei! – Ich sah mir die in den Läden aufgehängten Kupferstiche an. Es machte mir Vergnügen! – Aber das ist ein Vergnügen, das jeder Bettler haben kann, man hat's umsonst. – Es wurde lebhafter! Wagen fuhren die Kreuz und Quer. Von allen, die vorüberfuhren, ritten, gingen, eilten, war keiner glücklicher als Trockenschling. – Ei! welch eine elegante Equipage kommt daher, bespannt mit vier Schimmeln. – Du Mann, der drinnen sitzt, solltest wo anders sitzen, denn du bestiehlst das Vaterland. Solltest lieber deine Stiefeln beschmutzen wie Trockenschling als deine Hände durch Raub. – Da! eine Chaise mit zwei Braunen. Wirf dich nicht in die Brust, du Bankerotterer! Laß nur gewisse Wechsel fällig sein, und du hast nicht Wagen noch Pferde mehr, nicht Haus noch Hof, wenn du nicht inzwischen vielleicht in der Lotterie gewinnst. Besser zu Fuß gehen, wie Trockenschling, als zu fahren wie du. Es heißt, besser schlecht gefahren als gut gegangen, aber du fährst schlecht bei deinem guten Fahren, und um dein gutes Fahren wird Schlechtes dir widerfahren. – Da! eine Kutsche mit adligem Wappen. Der Baron da drinnen hält sie aus Rücksicht für seine Ahnen, aber seine Kinder berücksichtigt er nicht und läßt sie darben. Besser reich, wie Trockenschling, als adlig wie der. – Da trabt einer auf einem stolzen Engländer. – Hopp, hopp! Das geht ja schön! – aber wie lange, so geht's zu Ende damit und mit dem ganzen väterlichen Erbteil, und dann, mein Lieber, hast du nichts gelernt, um dir ein Fortkommen in der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern. Besser alt, wie Trockenschling, als jung wie der. – Dies alles, lieber Sohn, ist Wahrheit! – Wir sind einige dreißig Geldwechsler zu Paris und versammeln uns wöchentlich in einem Kaffeehaus beim Pontneuf. Dort tauschen wir alle finanziellen Familienverhältnisse miteinander aus. Wir haben ein schwarzes Buch, darin werden über den Kredit eines jeden Bemerkungen eingetragen, und die mindeste seiner Handlungen dünkt uns nicht unbedeutend. Da, mein Sohn, da gibt es Wahrheit! – Der Tugendhafte kann fallen, der Gelehrte verrückt werden, der Virtuose sich ein Gelenk verstauchen, der Handwerker eine Lähmung bekommen. Aber wer reich ist, bleibt reich, wenn er ordentlich wirtschaftet. Das Gesetz, der Staat, die ganze bürgerliche Einrichtung steht ihm bei. – Wer kann sagen: ich bin weise, tugendhaft, gelehrt, geschickt, genial? Niemand. – Aber wer reich ist, kann sagen: ich bin reich – und zwar so und so reich. – In ganz Paris weiß ich, wieviel ich jedem Kredit geben kann. Das ist die Trockenschlingsche Philosophie!!! – Das Geld, mein lieber Sohn, ist das eifersüchtigste Geschöpf auf der Welt. Es will ganz allein geliebt sein. Lieben wir irgend etwas mehr auf der Welt als das Geld, gleich geht's dafür hin, und keine verscherzte Gunst läßt sich von ihm wiedergewinnen. – Aber Trockenschling weiß das Geld zu lieben. – Ich sah mir alles an, was in den glänzenden Läden des Boulevards zum Verkauf ausgeboten war. Manches reizte meine Begierde, ich fragte nach dem Preise; aber als ich den Preis hörte, dünkte mich der Preis besitzenswerter als die Ware, und ich behielt mein Geld. Leichtfertige Mädchen gingen vorüber, sie waren schön, machten mich lüstern, aber mein Geld dünkte mich schöner und machte mich lüsterner, und ich behielt mein Geld.

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