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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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um frische Luft einzulassen. – Mach fort!«
    Joseph tat, wie ihm befohlen war, und stellte wirklich nicht nur eine gewisse Ordnung in dem bei weitem prachtlosesten Zimmer des Hotels her, sondern wußte sogar, dem Wuste von Papieren und Büchern ein zierliches Ansehen, in der Art, wie er sie aufstellte, zu geben. Der alte Graf warf noch einmal prüfende Blicke im Zimmer umher, ob alles auch in gebührender Ordnung sei, dann musterte er noch einmal seinen eigenen Anzug, und nachdem er sich völlig überzeugt glaubte, daß nichts mehr vorhanden sei, die spöttische Zunge seiner Tochter anzuregen, nahm er auf seinem weichen Lehnstuhl in aller patriarchalischen Würde Platz. Bald auch ließen sich die leichten Schritte seiner Tochter vernehmen, welche, eine Arie von Rossini trällernd, eintrat.
    »Guten Morgen, lieber Vater! Was willst du von mir schon so früh?«
    Diese Worte wurden hingehaucht, wie das Ritournel der Arie, und sie umarmte ihren Vater, nicht zärtlich, sondern mit der Sorglosigkeit und dem Bewußtsein, bei allem, was sie tue, Wohlgefallen zu erregen.
    »Liebes Kind!« sprach Herr von Fontaine, »ich bin willens, ernstlich mit dir zu reden. Du bist in dem Alter, wo man sich einen Gatten wählt, in dessen Hände das Glück deines Lebens –«
    »Guter Vater!« unterbrach ihn Emilie mit dem zärtlichsten Tone ihrer Stimme, »mich dünkt, der Waffenstillstand, den wir hierüber abgeschlossen, ist noch nicht zu Ende.«
    »Emilie! laß uns nicht scherzen bei einer so wichtigen Angelegenheit! Alle, die dich lieben, vereinen ihre Kräfte, um für deine Zukunft gebührend zu sorgen. Es ist undankbar gehandelt, solche Proben der aufrichtigen Zuneigung, die nicht ich allein dir widme, mit solchem Leichtsinn zu erwidern.«
    Emilie sah spöttisch im Zimmer umher und wählte einen Stuhl, der, wie es schien, von den Supplikanten, die in dem Kabinett des Grafen sich einzufinden pflegten, noch am wenigsten benutzt worden war. Sie holte ihn weit hinten aus einer Ecke hervor und setzte sich ihrem Vater mit einem so ernsthaften Anstande gegenüber, daß der Spott darin nicht zu verkennen war. Sie faltete ihre Arme über das reiche Kragentuch à la neige und drückte die reichen Tüllbesätze zusammen. Mit einem schalkhaften Seitenblick auf ihren Vater hub sie endlich an: »Bis heut war mir noch unbekannt, auf welche Weise ein Staatsmann im Schlafrock regiert, – allein, das tut nichts, das Volk nimmt's nicht so genau! – So eröffne mir denn deine gesetzlichen Vorschläge und deine offiziellen Vorstellungen.«
    »Närrisches Mädchen! Du wirst nicht immer mich in dieser Laune finden. – Meine eigentliche Absicht indessen, Mademoiselle, ist, zu erklären, daß ich nicht weiter gesonnen bin, meinen Charakter, der ein Teil des Vermögens der Meinigen ist, dadurch zu verunglimpfen, daß ich das Heer von Tänzern vervollständige, welche du alle Jahre auflösest. Du hast schon manche unangenehmen Zwistigkeiten mit angesehenen Familien erregt, und ich hoffe, du wirst in Zukunft deine Stellung und die meine besser in acht zu nehmen wissen. Du bist nunmehr zwanzig Jahre alt. Deine Brüder und Schwestern sind alle reich und glücklich verheiratet. Ihre Ausstattung und der Aufwand, den ich deinethalben mache, haben meine Einkünfte dermaßen in Anspruch genommen, daß ich dir höchstens 100 000 Franken mitgeben kann. Von heute an ist es meine Pflicht, für die Zukunft deiner Mutter zu sorgen. Sie soll durch mich nicht ihren Kindern geopfert werden; wenn ich einst meiner Familie entrissen bin, nicht von der Gnade eines Fremden abhängen, sondern ihre jetzige Lebensart, womit ich leider erst spät, ihre Treue und Anhänglichkeit, die sie in meinem Unglück mir erwies, belohnen konnte, auch in der Folge führen. Du siehst, mein Kind, daß dein geringes Heiratsgut nicht zu deinen großen Plänen stimmt, auch haben deine Geschwister nicht einmal soviel erhalten, sondern bescheiden sich der Vorliebe gefügt, die ich und deine Mutter zu dir hegen.«
    »In ihren Umständen freilich,« sprach Emilie, verächtlich den Kopf wiegend.
    »Mein Kind spotte derer nicht, die dich aufrichtig lieben, nur Arme sind großmütig, die Reichen finden immer tausend Gründe, keine 20 000 Franken ihren Verwandten zukommen zu lassen. – Sei nicht böse! mein Kind. Laß hören, welcher von all den jungen Leuten gefällt dir am besten. Hast du den Herrn von Montalant wohl bemerkt?«
    »Freilich! Er stößt mit der Zunge an und zeigt immer seinen Fuß, den

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