Lebensbilder II (German Edition)
er für klein hält. Er sieht sich gar zu gern in dem Spiegel, ist blond, und das habe ich nicht gern.«
»Aber Herr von Serisy!«
»Ist kein Edelmann, ist schlecht gewachsen und stark. Freilich, er hat braunes Haar. Beide Herren müßten ihr Vermögen zusammenlegen, der erste seinen Körper dem zweiten geben und dieser jenem seinen Namen, aber sein Haar müßte er behalten – dann – vielleicht.« –
»Was hast du aber gegen Herrn von Saluces?«
»Es ist ein Bankier.«
»Und gegen Herrn von Commines?«
»Er tanzt zu schlecht. Übrigens sind alle diese Herren ohne Titel, und ich möchte doch wenigstens Gräfin sein wie meine Mutter!«
»Du hast also den ganzen Winter niemanden gesehen, den –«
»Niemanden.«
»Allein, meine Tochter, wen verlangst du eigentlich zum Gatten?«
»Am liebsten den Sohn eines Pairs von Frankreich.«
»Bist du von Sinnen?« – rief der Graf. –
Aber plötzlich hub er das Auge gen Himmel und fügte nach einem mitleidigen Kopfschütteln hinzu: »Gott ist mein Zeuge! du armes, verirrtes Geschöpf! daß ich die Pflichten eines Vaters gewissenhaft gegen dich erfüllt habe. Gewissenhaft? oh, mehr als das, mit aller Liebe, deren ich fähig war. – Ich habe diesen Winter mehr als einen braven, ausgezeichneten Mann dir zugeführt, dessen Sitten und Denkungsweise ich wohlgeprüft, um ihn deiner würdig zu erachten. – Liebes Kind, ich habe das meinige getan und muß vom heutigen Tage an dein Geschick in deine Hände legen. Es beruhigt und beunruhigt mich zugleich, der schwersten Pflicht mich überhoben zu sehen. Wie lange du noch meine Ermahnungen, die unglücklicherweise nicht streng genug waren, wirst hören können, weiß ich nicht. Vergiß daher niemals, daß das Eheglück nicht bloß auf Reichtum, Glanz und Hoheit, sondern auf gegenseitiger Achtung und Übereinstimmung der Gemüter beruht. Dies Glück ist seinem Wesen nach ein bescheidenes, liebt keine Pracht. Geh', mein Kind! du hast meine Einwilligung für jeden, den du mir als Schwiegersohn vorstellst. Fällt deine Wahl zu deinem Schaden aus, so hast du keine Ursache, deinen Vater anzuklagen. Ich indessen will nichts verabsäumen, was dir nützen und förderlich sein kann. Nur das behalte ich mir vor, daß deine erste Wahl unwiderruflich bleibe, denn ich vergebe der Achtung nichts, die meinen grauen Haaren zukommt.«
Die Liebe ihres Vaters, der feierliche Ton, mit welchem er die salbungsvolle Rede hielt, rührten Emilie aufs innigste. Jedoch verbarg sie ihre Bewegung und erhob sich, um sich ihrem Vater auf den Schoß zu setzen, erschöpfte alle möglichen Schmeicheleien und suchte, ihn mit aller ihrer Anmut wieder zu besänftigen. Als endlich die Falten von seiner Stirne geschwunden und sein Mund wieder die Züge des Lächelns angenommen, sprach sie mit leiser Stimme: »Wie danke ich dir, lieber Vater, für die Freiheit, die du mir gestattest! – Es ist wahr, du hast bloß, um deine Tochter zu empfangen, dein Zimmer ordnen lassen und hast es nicht erwarten dürfen, sie so aufgeräumt und widerspenstig zu finden. – Aber, lieber Vater, sollte es mir denn so schwer werden, einen Pair von Frankreich zu heiraten? – Du sagtest neulich, daß man die Pairschaften dutzendweis vergebe! – Nun, mindestens deinen guten Rat wirst du mir nicht entziehen.«
»Nein! armes Kind! nein! und mehr als einmal werde ich dir zurufen: Sieh dich vor! Die Pairschaft ist zu neu in unserer Regierung, als daß die Pairs ein großes Vermögen besitzen könnten. Die Reichen wollen noch reicher werden, und die reichsten Glieder unserer Pairie haben kaum halbsoviel wie ein Lord im Oberhause des englischen Parlaments. Daher werden alle französischen Pairs ohne Ausnahme für ihre Söhne reiche Gattinnen suchen, gleichviel, wo sie dieselben finden, und dies wird wohl länger noch als hundert Jahre dauern. Allein ein glücklicher Zufall kann vielleicht deine Wünsche krönen, aber auch deine besten Jahre, deine Jugendreize kannst du vergeblich deinen Hoffnungen zum Opfer bringen. Vielleicht indessen, weil in unserem Jahrhundert die Liebe gar viel vermag, wird deine Schönheit dies kleine Wunder vollbringen. Wenn sich Weisheit in einer so blühenden Gestalt wie der deinigen birgt, so läßt sich viel erwarten. Du hast die Gabe, Leute zu durchschauen, um ihre guten Eigenschaften und Schwächen zu erkennen. Dies ist kein kleines Verdienst. Ich habe auch nicht nötig, dich vor Täuschungen zu warnen. Du wirst dich von einer verführerischen Außenseite
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