Lebensbilder II (German Edition)
alle Welt macht, enthüllen. – Nicht wahr, alle Herren interessieren sich in gleichem Grade dafür wie Sie? – Aller Augen wenden sich unwillkürlich nach jenem Wandleuchter, wo die Holde Platz gefunden. Glücklich, wer mit ihr tanzen kann. – Ich denke mir, daß es Ihnen lieber sein wird, ihren Namen von den schönen Lippen der Beaudremont zu vernehmen als von den meinigen.«
Die Gräfin Beaudremont erhob sich jetzt von ihrem Sitze, ging auf die Marigny zu und sprach mit seinem Lächeln, indem sie sich auf den Stuhl niederließ, den Martial ihr einräumte:
»Ich errate, Madame, daß hier die Rede von mir ist; aber ich fühle meinen Unwert und kann nicht wissen, ob in gutem oder bösem Sinne.«
Die Marigny drückte ihre Hand und sprach mit einem Tone des Wohlwollens und der Rührung: »Arme Kleine!«
Die Gräfin wandte sich zu Martial und sprach gebieterisch: »Lassen Sie uns allein!«
Er aber blieb und wandte einen seiner vielsagendsten Liebesblicke auf die Gräfin, welche ihren Befehl wiederholte. Martial ging und tröstete sich, seine Geliebte eifersüchtig gemacht zu haben.
»Mein Engel!« begann Frau von Marigny zur Gräfin, »ich bin viel älter als ich scheine, denn wenn ich fünfundsechzig Jahre alt bin, habe ich wenigstens ein Jahrhundert erlebt. Sie, meine Liebe, sind in dem Alter, in welchem ich große Fehler beging. – Ich sehe Sie in diesem Augenblick leidend und glaube, manche nützliche Dinge Ihnen mitteilen zu können. Zu zweiundzwanzig Jahren Fehler begehen, heißt, seine Zukunft verderben, das Kleid vernichten, welches man zeitlebens tragen will. Fahren Sie fort, meine Liebe, edle Männer wider sich aufzubringen und Gecken und Taugenichtse sich zu Freunden zu machen, und sehen Sie, wohin Sie dies reizende Leben führt.«
»Ach! Madame, es ist schwer, glücklich zu sein.«
»Mein Kind! Glück und Vergnügen muß man in Ihrem Alter zu unterscheiden wissen. Hören Sie: Sie wollen Martial Ihre Hand reichen, er ist weder einfach genug, um ein Gatte zu sein, noch gutmütig genug, um Sie glücklich zu machen. Er hat Schulden! – Er kann Ihr Vermögen brauchen; er ist ein trefflicher Geschäftsmann, schwatzt allerliebst, aber ist zu sehr Egoist, um wahres Verdienst zu haben. Ist es so schwer einzusehen, daß es ihm mehr um die 200000 Franken als um die liebenswerte Person zu tun ist? – Wollen Sie sich aber verkaufen, wollen Sie ohne Liebe, aus Konvenienz heiraten? Ei, mein Kind, da findet sich wohl ein Marschall, ein Herzog für Sie. – Was also ist Ihr Entschluß? – Wollen Sie etwa die gefährliche Rolle einer Kokette spielen? – Dies Spiel erfordert ebenfalls Überlegung. Verschenken Sie Ihr Herz nicht leichtsinnig! Sind Sie indessen genial genug, alles für Ihre augenblickliche Neigung zu wagen, wohlan, prüfen Sie sich, ob Sie Mut haben. Sie haben Gewalt genug, manchen häuslichen Frieden, manches Eheglück zu stören, manche liebende Gattin unglücklich zu machen! – Auch ich, meine Gute, habe ein so gefährliches Spiel gewagt. – Für einen Triumph meiner Eitelkeit opferte ich so manches sanfte Geschöpf, so manche treue, zärtliche Gattin. Ach, Liebe! hätte ich's doch nicht getan. – Gutes Kind, meinen Sie es gut mit sich, wollen Sie ein hohes Alter friedlich erreichen, tun Sie es nicht! – Soulanges betete Sie an! Sie haben ihn einem andern geopfert. – Wissen Sie, was Sie alles verschuldet? – Er ist verheiratet, ein sanftes, gutes Geschöpf liebt ihn. Seit er an Ihrem Triumphwagen zog, lebte sie in Trauer und Tränen. Hier,« fuhr die Marigny fort, indem sie auf die zitternde und bleiche Unbekannte blickte, »hier ist meine Nichte, die Komtesse von Soulanges. – Sie gab heute meinen Bitten nach und verließ ihre Marterkammer, wo der Anblick ihres Kindes ihr nur schwachen Trost gewährt. – Sehen Sie sie? Sie ist allerliebst! Nicht wahr, meine kleine Charmante? – Stellen Sie sich vor, was sie damals war, wo Glück und Liebe ihren Glanz noch über die jetzt welke Gestalt ausgossen.«
Schweigend wandte sich die Gräfin und schien sich sehr ernsthaften Betrachtungen hinzugeben; die Herzogin führte sie aber nach dem Spielzimmer, steckte den Kopf hinein, als ob sie jemand darin suchte, dann sagte sie mit tiefer Stimme: »Hier sehen Sie Soulanges.«
Die junge, herrliche Frau erstarrte fast, als sie im finstersten Winkel des Spielzimmers die bleiche, gebeugte Gestalt wahrnahm. Herr von Soulanges hatte der Türe fast den Rücken zugewendet; die Schlaffheit seiner Glieder,
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