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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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nicht verstanden, welcher sie aufforderte, diesen Baron in ihr Netz zu ziehen.
    Dieser spielte inzwischen mit dem herrlichen Diamant, der den Ringfinger seiner linken Hand schmückte. Die Strahlen des funkelnden Edelsteins schienen tief in die Brust der jungen Gräfin zu dringen. Sie stieß einen Laut der Verwunderung aus, errötete und sah den Baron mit einem unbeschreiblichen Erstaunen an.
    Dieser teilte die Verwunderung, doch wagte er noch nicht, nach der Ursache zu fragen.
    »Tanzen Sie gern?« begann er.
    »O sehr, sehr gern!« erwiderte die schöne Gräfin mit so inniger, sanfter Stimme, daß Martial nicht länger an seinem Glück zweifeln zu können glaubte, er sah lhr ins Auge, der Blick der Gräfin begegnete ihm.
    »Wäre es nicht zu verwegen, wenn ich Sie um Ihre Hand zum nächsten Kontertanz bitte?«
    Eine reizende Verwirrung malte sich auf den bleichen Wangen der Gräfin.
    »Ach, – mein Herr! – ich habe bereits einem Tänzer dies verweigert.«
    »Wäre es vielleicht der große Kavallerie-Obrist?«
    »Ja, mein Herr, eben der.«
    »Das ist ein genauer Freund von mir. Sie haben nichts zu besorgen, im Falle ich so glücklich sein soll.«
    »In diesem Falle, mein Herr, von Herzen gern!«
    Die schüchterne, klangreiche Stimme der Gräfin erregte ein so neues und tiefes Gefühl im Herzen des Staatssekretärs, daß er sich bis im Innersten erschüttert fühlte. Wie ein Schulknabe kam er sich in diesem Augenblicke vor, der nicht den Mut hat zu reden, er hatte seine gewöhnliche Geistesgegenwart zum ersten Male in Leidenschaft verloren, wollte reden, doch alles, was ihm einfiel, dünkte ihm fade, flach und abgeschmackt, dagegen voller Geist und Empfindung alles, was die reizende Gräfin ihm antwortete.
    Glücklicherweise für ihn begann der Tanz wieder. Für manche Männer hat der Tanz einen eigenen Wert, sie glauben, wenn sie in demselben alle ihre körperliche und geistige Anmut entfalten, dadurch zwar minder auf den Geist, mehr aber auf das Herz einer Dame zu wirken. Der Baron wollte in diesem Augenblicke seine ganze Verführungskunst aufbieten, solch eine Zuversichtlichkeit sprach aus seiner Stellung wie aus seinen Mienen. Aus Eitelkeit führte er seine Tänzerin zur brillantesten Quadrille, die ersten Damen der Gesellschaft legten einen übergroßen Wert auf dieselben.
    Das Orchester begann das Vorspiel. Der Baron empfand keinen geringen Stolz, indem er die Tänzerinnen in den Reihen des glänzenden Vierecks musterte und wahrnahm, wie der seinigen unbedingt der Preis der Schönheit gebühre. Ihr Anzug und Putz übertraf sogar den der Veaudremont, welche, durch einen vielleicht absichtlich herbeigeführten Zufall, dem Baron und der schönen Gräfin gegenüberstand. Alle Männer wandten ihre Augen auf Madame Soulanges, und ein schmeichlerisches Geflüster verriet, wie sie der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit war.
    Sie aber, als schämte sie sich eines so ausgezeichneten Triumphes, errötete, schlug die Augen nieder und erschien nur um so reizender; wenn sie sie indessen erhob, so war es, um ihren Tänzer zu betrachten, als wolle sie ihm den Ruhm aller Huldigungen übertragen, als ob sein Beifall dem, den alle übrigen ihr im vollen Maße spendeten, vorzuziehen sei. Sie wußte ihre Schönheit, mit einem Worte, auf so unschuldige Art geltend zu machen, als ob alle diese Empfindungen ihr neu wären, als ob sie selbst die Bewunderung, die sie einflößte, bewunderte, und erschien so treuherzig, wie nur ein unerfahrenes und jugendliches Gemüt es sein kann.
    Als sie tanzte, mochten die Zuschauer wohl glauben, daß alle Schlingen der schwierigen Pas, die sie mit entzückender Leichtigkeit ausführte, nur Martini gelten konnten. Diese ätherische Gestalt wußte so gut wie jede andere Dame, wann es geraten ist, das Auge emporzuheben oder es niederzuschlagen.
    Als die Touren des Tanzes Martial und den Obrist zueinander führten, sprach jener leise und lächelnd:
    »Ich habe dein Pferd gewonnen.«
    »Freilich! aber du hast 80000 Franken jährlicher Einkünfte verloren,« antwortete der Obrist, auf das ernste Antlitz der Veaudremont deutend.
    »Kleinigkeit!« versetzte der Staatssekretär, »die Soulanges ist eine Million wert.«
    Der Kontertanz war zu Ende, und mehr als eine flüsternde Stimme erhob sich. – Die am wenigsten Schönen erschöpften sich gegen ihre Tänzer in moralischen Betrachtungen über die nahe Verbindung des Barons mit der Veaudremont; die Schönsten erstaunten über einen solchen Leichtsinn.

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