Lebensbilder II (German Edition)
die Starrheit seiner Züge verkündeten den höchsten Schmerz, den er in der Seele trug. Er saß einsam, verlassen, die Spielenden gingen und kamen an ihm vorüber, ohne seiner zu achten, gleich als wäre es ein Toter.
Dieses Schauspiel, die Gattin in Tränen, der finstere und schweigsame Gatte, welche mitten auf einem glänzenden Feste getrennt voneinander saßen, wie zwei Hälften eines vom Blitz getroffenen Baumes – dieses Schauspiel war der jungen Gräfin nicht nur entsetzlich, sondern es lag auch eine Warnung vor ihrer eigenen Zukunft darin. Sie fürchtete die Strafe des Himmels für das Unheil, das sie anstiftete; noch war ihr Herz nicht so verdorben, um dem Mitleid und der Reue allen Zugang zu versagen. Sie drückte der Gräfin die Hand, ihre Züge, ihre nassen Augen verkündeten mehr als Worte ihre Dankbarkeit für diese zur rechten Zelt gegebene Warnung.
»Meine Kleine!« flüsterte die Alte ihr ins Ohr, »bedenken Sie, daß es ebensogut in unserer Macht steht, die Huldigungen der Männer zurückzuweisen, als sie an uns zu ziehen.«
«Sie ist die Ihrige, wenn Sie kein Kind sind!« flüsterte Madame Marigny fast im selben Augenblick dem Obrist ins Ohr, und die schöne Gräfin stand da und überließ sich noch einmal ganz der Reue, die Soulanges' schmerzlicher Zustand in ihr erweckte. Sie liebte ihn noch aufrichtig genug, um ihn dem Glücke wiedergeben zu wollen, und nahm sich innerlich fest vor, ihre ganze verführerische Gewalt, die sie dennoch über ihn ausübte, anzuwenden, um ihn in die Arme seiner Gattin zurückzuführen.
»Je nun! ich will mit ihm reden« – sagte sie der Marigny.
»Damit werden Sie nichts erreichen, Schönste!« entgegnete diese und führte die Gräfin zu den früheren Sitzen zurück. »Suchen Sie sich seinet- wie Ihretwegen einen braven Ehegemahl; das heißt, meinem Neffen Tür und Tor versperren; vermeiden Sie ihn in allen Gesellschaften, und wenn er von seiner unglücklichen Leidenschaft geheilt sein wird, bieten Sie ihm Ihre Freundschaft.
Glauben Sie nur, ein Weib empfängt durch ein Weib niemals das Herz eines Mannes zurück; wenigstens ist sie tausendmal glücklicher in der Einbildung, es sich selbst wiedererobert zu haben. Ich glaube, meiner Nichte ein treffliches Mittel an die Hand gegeben zu haben, sich die Liebe ihres Gatten wiederzugewinnen, und sie ist deshalb hier. – Ich ersuche Sie, statt aller Verhandlungen mit Soulanges unseren schönen Kürassier-Obrist anzuhören.«
Die Gräfin lächelte, da die Marigny ihr den Freund des Staatssekretärs zeigte.
»Nun, schöne Gräfin!« fragte der Baron Martial mit etwas verdrießlichen Mienen die Komtesse, «wissen Sie endlich den Namen der schönen Unbekannten?«
»Ja!« erwiderte die Veaudremont und sah ihm scharf ins Auge, ihr Gesicht verriet dabei ebensoviel Schlauheit als Freude; das Lächeln ihrer Lippen, die erhöhte Röte ihrer Wangen, das schimmernde Licht ihrer schönen Augen, alles das hatte Ähnlichkeit mit Irrlichtern, die einen armen Wanderer auf Abwege führen sollten.
Martial glaubte sich noch immer geliebt, nahm eine Stutzermiene an wie jemand, der leichtsinnig seinen sicheren Siegen traut, und sprach mit selbstgefälligem Lächeln:
»Und werden Sie mir zuliebe den Namen nennen, auf den ich so großen Wert lege, wie Sie sehen?«
»Und werden Sie mir zuliebe,« spottete die Veaudremont ihm nach, »mir vergeben, daß ich Ihnen den Namen verschweige und Ihnen zuliebe verbiete, sich auf irgendeine Weise der jungen Dame zu nahen? – Wissen Sie, daß es Ihnen das Leben kosten kann!«
»Madame, Ihren Unwillen zu erregen, ist gefährlicher, als das Leben zu verlieren.«
»Martial!« sprach die Veaudremont ernsthaft, »es ist Madame Soulanges. – Ihr Gatte jagt Ihnen die Kugel durch den Kopf, wenn Sie anders einen haben.«
»Hahaha,« lachte der Baron, »wenn der Obrist den leben läßt, der ihm Ihr Herz geraubt hat, so wird er sich auch schon seiner Frau halber schießen! – Ich bitte, erlauben Sie mir nur einmal, mit der Kleinen zu tanzen. Überzeugen Sie sich, daß die Liebe des Grafen, die Sie zurückgewiesen, nur sehr gering war, denn wenn der Graf übelnimmt, daß ich mit seiner Frau tanze –«
»Aber sie liebt ihren Gatten,« unterbrach ihn jene.
»Also ein Hindernis mehr, um –«
»Aber sie ist verheiratet.«
»Ein Einwand, der in Ihrem Munde seltsam klingt.«
»Oh,« rief die Gräfin mit bitterem Lächeln. »Ihr Männer straft uns für unsere Fehler und Reue auf gleiche Weise, –
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