Lebensbilder II (German Edition)
Die Männer konnten sich nicht genug über das Glück des Staatssekretärs verwundern, an dem sie nichts Verführerisches finden wollten. Nachsichtige und verheiratete Frauen sagten, man dürfe so streng nicht urteilen, es wäre ein Unglück für junge Leute, wenn ein ausdrucksvoller Blick, ein anmutiger Tanz dergleichen Argwohn verdiene.
Nur Martini begriff die ganze Größe seines Glückes. Bei der letzten Figur des Kontertanzes hatten alle Damen eine Mühle gebildet: seine Hand drückte die Hand der Gräfin, welche in der seinigen ruhte, und er glaubte, durch den seinen, wohlriechenden Handschuh einen zarten Gegendruck zu empfinden.
»Madame!« begann er hierauf, »ich beschwöre Sie, verfügen Sie sich nicht wieder in jenen verhaßten Winkel zurück, wo Sie bisher Ihre Schönheit und Anmut verborgen hielten: die Bewunderung ist das einzige Einkommen, das Sie von den Diamanten ziehen, welche Ihren zarten Hals und Ihre so reizend geordneten Flechten schmücken: – machen wir einen kleinen Gang durch den Saal, genießen Sie den Anblick des ganzen Festes und der Bewunderung, die man Ihnen zollt.«
Die Soulanges folgte dem geschickten Verführer, welcher sich einbildete, daß die Schöne um so eher sein wäre, wenn er sie auf diese Weise zeigen und ins Gerede bringen könnte. Sie machten einen Gang durch alle Säle und betrachteten die verschiedenen Gruppen der Gäste.
Ehe die Gräfin ein Gemach betrat, blieb sie jedesmal unruhig vor der Schwelle stehen, blickte hinein und prüfte die anwesenden Herren. Diese Schüchternheit entzückte den Baron, und er wagte es, seiner ängstlichen Dame zuzuflüstern:
»Beruhigen Sie sich, er ist nicht mehr hier.«
Sie gelangten endlich zu einer langen Bildergalerie, in einem Flügel des Hotels, wo eine Tafel für 300 Personen aufs kostbarste gedeckt war. Der Baron sah wohl, daß man bald zu Tische gehen würde, und führte, um keine Zeit zu verlieren, die Gräfin nach einem Boudoir, welches er in der Ferne bemerkt hatte.
Es war ein länglichrundes Zimmer, welches auf einen Garten hinausging. Seltene Blumen und Gesträuche bildeten eine künstliche Laube, und hinter dem Laubwerk gewahrte man herrliche Draperien, der Lärm des Festes hallte nur fern und dumpf zu dieser heimlichen Stätte, und anfangs wollte die Gräfin durchaus ihrem Führer nicht folgen, da zeigte sich wieder die linke Hand mit dem Diamantring; dieser Talisman schien eine solche Gewalt auf die Schöne auszuüben, daß sie unbedingt gehorchen mußte, eintrat und sich auf einer Ottomane niederließ.
»Welch ein herrliches Gemach!« sprach sie, ein himmelblaues Zelt bewundernd, welches mit Perlenschnüren aufgebunden war.
»Alles atmet Liebe und Wollust,« entgegnete ihr Führer bewegt.
Beim geheimnisvollen Zwielicht, welches im Gemache herrschte, blickte er die Schöne an: ihre Augen begegneten den seinen, und ein Ausdruck der Unschuld, Schüchternheit, der Liebe und Scham verschönten ihr Antlitz. Dann lächelte sie wieder, und jener Kampf war ausgekämpft. Der Baron war außer sich vor Freuden.
Lächelnd faßte die Gräfin seine linke Hand, zog den Ring von seinem Finger und betrachtete ihn mit schalkhaften Blicken.
»Ein schöner Diamant!« sprach sie mit der Unschuld eines blutjungen Kindes, das über dergleichen Gegenstände erstaunt.
Martini schwamm in Wonne, die Gräfin hatte seine Hand berührt, sprach zu ihm mit liebevollem Vertrauen und betrachtete seinen Ring mit funkelnden Blicken.
»Tragen Sie den Ring«, sprach er, »zum Andenken dieser Stunde, der Liebe –.« Er vermochte nicht welter zu reden und küßte ihre Hand.
»Wie?« rief sie verwundert, »Sie schenken mir solch einen Ring?«
»Die ganze Welt möchte ich Ihnen zu Füßen legen!«
»Ist es aber auch Ihr Ernst?«
»Werden Sie nicht mehr als diesen Ring von mir annehmen wollen?«
»Aber nehmen Sie ihn mir auch nicht wieder?«
»Niemals.«
Sie steckte den Ring an.
Martini, sein nahes Glück vor Augen sehend, machte eine Bewegung, um die Gräfin zu umfassen. Plötzlich aber erhob sich diese und sprach mit fester Stimme:
»Mein Herr! ich nehme diesen Ring um so eher, weil er mir gehört!«
Der Baron blieb sprachlos stehen.
»Soulanges nahm ihn vor einem halben Jahre etwa von meiner Toilette und sagte darauf, er habe ihn verloren.«
»Sie irren, Madame, diesen Ring gab mir die Beaudremont.«
»Ganz richtig! Mein Gemahl hat von mir den Ring geliehen, ihn ihr gegeben, und sie hat ihn Ihnen geschenkt. Wäre der Ring nicht mein,
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