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Lebenschancen

Lebenschancen

Titel: Lebenschancen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffen Mau
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benachteiligt sind. Bildungsverlierer darf es nicht geben. Die soziale Öffnung der Schulen und Universitäten ist insofern eine eminent wichtige Forderung. Es gilt, die Potenziale von Kindern weitaus besser zu fördern, als das im gegenwärtigen System der Fall ist, allerdings ohne dabei gleich in »Bildungspanik«
(Bude 2011) zu verfallen. Bildung darf nicht auf den Erwerb von Humankapital und marktgängigen Zertifikaten verkürzt werden, schließlich geht es hier immer auch um Teilhabe, um die Möglichkeit, Erfahrungen zu machen, Anregungen zu erhalten und soziale Kompetenzen zu erlangen.
    Rezepte zur Chancenmehrung in der Bildung liegen auf dem Tisch, doch viele davon gelten als »heiße Eisen«. Zwar sind sich alle einig, dass Kinder und Jugendliche umfassende Förderung brauchen, doch sobald es konkreter wird, brechen Konflikte auf. Unstrittig ist die Bedeutung der frühkindlichen Entwicklung in den Kindertagesstätten, da diese ein Plus an Chancen garantiert. Kinder sollen dort nicht nur betreut, sondern entsprechend ihrer Neigungen und Begabungen in ihrer Entwicklung unterstützt werden. Notwendig ist dafür in erster Linie ein breites Angebot an Erfahrungsmöglichkeiten, nicht unbedingt eine Kita, die die Schule imitiert und auf die Aneignung eines Wissenskanons setzt. Was den Bereich der Sekundarstufe angeht, muss man ganz klar sagen: Die frühe Sortierung der Kinder auf unterschiedliche Schultypen gehört abgeschafft. Wir brauchen mehr gemeinsames Lernen. Ganztagsschulen sollten zur Grundversorgung gehören, außerdem muss die Förderinfrastruktur ausgebaut und mehr Geld in Personal investiert werden. Auch die Universitäten müssen ihre Türen öffnen und dadurch Orte sozialer Chancen werden: Der Hochschulzugang für Personen ohne (Fach-)Abitur wurde zwar erleichtert, dennoch ist der Anteil der »beruflich Qualifizierten« unter den deutschen Studenten immer noch verschwindend gering.
    Im Bereich der Sozialbürokratie führt das Misstrauen der Behörden gegenüber den Bürgern dazu, dass die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und Risiken einzugehen, eher untergraben als ermuntert wird. Die Kontrolle, die bürokratische Überfrachtung, die kleinlichen Anrechnungsvorschriften, der Mangel an einfachen und klaren Regeln, die Verschlagwortung des sozialen Lebens (Ich- AG etc.) sind oft genau das Gegenteil
einer auf Befähigung setzenden Sozialpolitik. Wenn man die Diskussionen um das Lohnabstandsgebot und die Arbeitsanreize verfolgt, sieht man zudem, in welche ideenlosen Reflexe die politischen Eliten eingeklemmt sind. Die entscheidenden Stellschrauben bleiben oftmals unberührt. Nicht zuletzt der wachsende Niedrigeinkommenssektor und die stagnierenden Löhne führen manche Argumente zum Lohnabstandsgebot zwischen Arbeitseinkommen und Transfereinkommen ad absurdum, und es gilt, die Lohnentwicklung wieder stärker an die allgemeine wirtschaftliche Dynamik und die Gewinnsteigerungen der Unternehmen anzunähern. Was die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt angeht, werden die sogenannten »dead end jobs« zunehmend zu einem Problem. Wenn Zeitarbeit, Minijobs und Befristungen keine Übergänge in die reguläre Beschäftigung darstellen, wenn sich dieses Arbeitsmarktsegment vergrößert und schließlich zur Falle wird, sind Gegenmaßnahmen dringend erforderlich. Flexibilisierung und Kostendruck dürfen nicht einseitig einer einzelnen Gruppe von Arbeitnehmern aufgehalst werden, die Verträge von Zeitarbeitern müssen denen der regulär Beschäftigten angeglichen werden. Wer größere Unsicherheit in Kauf nehmen muss, sollte nicht auch noch weniger Geld für die gleiche Arbeit bekommen. Hier scheinen sowohl Prinzipien der Gleichbehandlung und der Teilhabe wie auch der gleichen Verwirklichungschancen verletzt.
    Beim Zusammenspiel von Arbeitsmarkt und sozialer Sicherung machen uns andere Länder vor, wie es gehen kann. Zwar ist das Kofferwort »Flexicurity« in Verruf geraten, weil es häufig zur argumentativen Aufhübschung von Deregulierungsmaßnahmen missbraucht wurde, doch die Verbindung von Flexibilisierung ( flexibility ) und Sicherheit ( security ) ist nach wie vor der zentrale Punkt. Wenn die Arbeitsmärkte immer flexibler werden und die Arbeitnehmer immer seltener auf tarifvertraglichen Schutz hoffen können, dann brauchen wir Maßnahmen, die darauf reagieren. Dabei geht es nicht nur um Fortbildung
und aktive Arbeitsmarktpolitik, sondern auch um neuartige und effizientere Formen der sozialen Absicherung.

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