Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)
blink
I must confess
I wear a dress
Of joy and happiness
Let me be the undertaker of your love
Let’s become gay of caress
Eigentlich echt gut, gratulierte ich mir nochmals zu den schönen Zeilen, die ich mir zuerst auf Deutsch ausgedacht und dann sinngemäß übersetzt hatte.
Doch das Resultat des Übersetzungsprogramms stimmte nicht ganz mit meinem Ausgangstext überein. Na ja, eigentlich überhaupt nicht. Vielmehr stellte sich nun eher die Frage, welcher meiner Verse bei Ashley wohl keine Irritationen hervorgerufen hatte. Denn da war sie nun, die Erklärung für das prägnante »Fuck off« meines britischen Augensterns:
Ich mag deine Pickel
Überall dort, wo es rockt
Ich liebe deine Weicheier
Wenn du blinkst
Ich muss gestehen,
Ich trage ein Kleid
Von Freude und Glück
Lass’ mich der Bestatter deiner Liebe sein
Lass’ dich homosexuell Liebkosung
Gut, Ashley hielt mich jetzt für eine notgeile, wild gewordene Dragqueen mit Wortfindungsstörungen.Konnte sein, dass das nicht gerade die beste Basis für unsere Beziehung war. Spontan rann mir eine Träne übers Gesicht. Ich klebte die beiden Hälften des Polaroids wieder aneinander, doch es wollte nicht haften. Das Entlieben war für Ashley ähnlich schnell wie das Verlieben gegangen, bei mir würde es länger dauern, bis ich diesen Rückschlag überwunden hatte, davon war ich überzeugt.
Kermit aus Südost
»Der Wind scheint aus Südost zu kommen, das gibt kein gutes Wetter«, sagte Herr Löser, kniff dabei die Nasenflügel zusammen und schaute in den wolkenverhangenen Himmel. Über uns kreisten ein paar Schwalben und fraßen die letzten Mücken, die der langsam abkühlende Spätsommer noch hervorgebracht hatte. Ich schaute Herrn Löser verständnislos an, denn auch wenn seine meteorologische Voraussage sicherlich gut gemeint war, brachte mich das bei meinem Problem nicht wirklich weiter.
»Und was mache ich jetzt mit meinen Turnsachen?«, fragte ich mit weinerlicher Stimme, doch er schüttelte nur den Kopf und stapfte davon – er war wohl nur zur Wetterprognose an der Schule angestellt worden.
»Keine Ahnung, geh doch mal zum Direktor«, teilte er mir im Weggehen noch in einem klassischen Fall von Verantwortungsdiffusion mit. Toll, zum Direktor, da hätte ich ja gleich eine Tageszeitung anrufen und sie bitten können, morgen schon mal die Titelseite für die Schlagzeile »Übergewichtiger Schüler stirbt beim Versuch, seinen Sportbeutel vom Fahnenmast zu knoten« zu reservieren. Unter den fett gefressenen Schwalben hing nämlich mein grüner Sportbeutel, auf dem Kermit der Frosch lachend Kniebeugen machte, am Fahnenmast unserer Schule in acht Meter Höhe. Da kam ich nicht mal mit Bergsteigerausbildung hoch.
Noch sieben Minuten, dann war die große Pause zu Ende, und der schlimmste Teil meines Schultages begann: Sportunterricht bei Herrn Schmitz. Diesem wöchentlichen Ereignis hätte ich sogar ein öffentliches Bad in Mett vorgezogen. Wenn ich bis dahin nicht meinen Sportbeutel zurückhatte, konnte ich mich schon mal darauf vorbereiten, vor versammelter Klasse in Jeans und Pulli Strafliegestützen machen zu dürfen. Okay, eine Liegestütze zur Belustigung von Herrn Schmitz zu machen, bevor mir die Herzklappe abbrach.
Wie war mein Turnbeutel überhaupt da hochgekommen? Ich konnte nur mutmaßen, aber der breit grinsende Mund von Gökhan Mutlu, der ein paar Meter entfernt mit seinen Freunden stand und sich totlachte, gab meinen Vermutungen eindeutig Anlass. Gökhan versteckte eigentlich wöchentlich meinen Turnbeutel, normalerweise war er aber aufgrund seiner naturgegebenen Stirnlappendumpfheit nicht sonderlich kreativ dabei, und ich entnahm schon mit einer gewissen Routine meinen Beutel aus dem Klassenschrank, dem Sportspind oder dem Lehrerpult. Doch diesmal war Gökhan ein wirklicher Geniestreich gelungen.
Nur noch fünf Minuten … ich konnte schon meine schweißgebadete Stirn auf dem Turnhallenboden aufschlagen hören – und all das auch noch unter den Augen von Hanna Sommer, dem neuen Opfer meiner unerwiderten Liebe, das ich nach dem Übelsetzungsdebakel mit Ashley auserwählt hatte. Das Herz eines Teenagers ist wirklich eine Wanderhure.
Es galt zu handeln, die Uhr am ideenlosen Backsteinbau meiner Schule tickte unbarmherzig die Minuten hinunter.
Ich sprang an den weißen Fahnenmast und klemmte die Beine zusammen. Zahllose Male hatten wir uns bei Herrn Schmitz am gezopften Juteseil so in die Höhe ziehen müssen, und ich war jedes Mal
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