Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)
Aufgabe, der selbst Lothar Matthäus noch mental gewachsen wäre.
Kosten
London ist astronomisch teuer, da die meisten Restaurants ihre Preise dem nicht enden wollenden Strom an Touristen anpassen. Mit »essen gehen« wird es also nichts, was für die meisten Schüler allerdings nicht weiter schlimm ist, da die englische Küche dem deutschen Gaumen eh völlig fremd ist. Bis auf in Zeitung eingeschlagene Pommes mit frittierten Fischstücken lösen neunzig Prozent der Gerichte spontane Übelkeit aus. Zum Glück gibt es einen interkontinentalen Konsens zwischen allen Schülern, dass es zumindest in jeder Stadt ein »Restaurant« gibt, das immer gleichbleibende Qualität liefert: McDonald’s. Auch wenn die meisten Gerichte aus Schlachtabfällen und Styropor zusammengerührt werden und die Mitarbeiter weltweit den gleichen grenzsuizidalen Eindruck machen, gibt es für ausgehungerte Schülermägen nichts Besseres als einen Big Mac und eine Jumbopackung Chicken McNuggets. Da neben der Rezeptur auch die Preisgestaltung des Burgerbraters weltweit einheitlich ist, lässt sich für das schmale Budget der Klassenfahrer die Grundversorgung sehr gut über diese Einrichtung regeln. Dass die Schüler meist adipös, haarlos und ohne Zähne zurückkehren, ist da nur ein zu vernachlässigender Nebeneffekt.
Unterbringung
Die Mietpreise in London sind in den letzten Jahrzehnten derart gestiegen, dass viele Einwohner mittlerweile gezwungen sind, zur Untermiete in einen Kleiderschrank zu ziehen. Für die Klassenfahrt ist es aufgrund der begrenzten Mittel meist nicht möglich, einen Kleiderschrank zu organisieren, deshalb werden kleine Pensionen und Hotels am Stadtrand aufgesucht, die nicht minder eng und stickig sind. Allerdings tragen sie oft besonders euphemistische Namen wie »Majestic Hotel« oder »Hotel Queen Victoria«, wobei Letzteres diesen Namen bekommen hat, weil die Sanitäranlagen unverändert aus der Zeit Königin Victorias übernommen wurden. Meist ist angeraten, sich nach jedem Besuch der mit Teppich ausgelegten Flurtoilette, bei der man sich mit einer Ratte um das Klopapier streiten muss, mit Sagrotan abzuduschen.
Prag
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Attraktionen
Prag ist nicht umsonst eines der Schmuckstücke des östlichen Europas. Der immer noch intakte mittelalterliche Stadtkern, die alles überragende Prager Burg und das Kafka-Museum sind nur einige der Anziehungspunkte, die internationale Touristen in die tschechische Hauptstadt locken.
Besonders die Geschichte Franz Kafkas, eines der wohl bedeutendsten Literaten des 20. Jahrhunderts und Erstplatzierten bei der Wahl zum depressivsten Seelenwracks des Jahres, hat es vielen Besuchern angetan, das Erforschen menschlicher Abgründe muss touristisch wohl sehr reizvoll sein. Der Besuch in Kafkas Wohnhaus, einem kleinen Verschlag in einer Nebenstraße an der Prager Burg, gehört zum Pflichtprogramm einer jeden Klassenfahrt, auch wenn manche Schüler wegen der bedrückenden Enge schnell ebenso depressionsanfällig und lungenkrank aussehen wie Kafka selbst. Pädagogen seien daher ausdrücklich gewarnt, sich zu lange mit Kafkas rekordverdächtiger Schwermut zu beschäftigen, das würde selbst die immer fröhliche Biene Maja in den Selbstmord treiben. Wenn man die Stimmung der Klassenfahrer also auf den Gefrierpunkt absenken will, reichen ein paar Minuten im Kafka-Museum, und die ersten Teenager stehen kurz vorm Ritzen.
Kosten
Preislich ist Prag das Klassenfahrtparadies unter den europäischen Großstädten. Hier müssen Schüler sich nicht tagelang von Fast-Food und selbst gefangenen Kleintieren ernähren, sondern können jeden Tag mehrmals feste Nahrung zu sich nehmen. Und noch wichtiger: Der Preis für Bölkstoff ist erschreckend niedrig. Ein Bier bekommt man am Tresen bereits für unter einem Euro. Noch bekannter als für den Gerstensaft ist Prag aber für seine weite Verbreitung von Absinthdestillen. Dieses grünliche Gesöff, mit dem sich angeblich bereits Van Gogh die Ohrenschmerzen weggetrunken hat, gibt es hier in jeder Kneipe. In früheren Zeiten soll Absinth durch den hohen Gehalt von Thujon, einem Bestandteil des Wermutöls, sogar halluzinogene Wirkung besessen haben (und sie dachten, Van Gogh wäre kreativ gewesen?), mittlerweile ist es aber in handelsüblichen Mengen unschädlich und genießbar. In nicht handelsüblichen Mengen konsumiert, wie es bei sechzehnjährigen Klassenfahrern zu erwarten ist, die sich nachts aus der Jugendherberge stehlen,
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