Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)
Jünschke mit seinen kalkweißen Ärmchen in der Luft herum und machte dabei die Geräusche eines Schlachtfelds, was aber mehr danach klang, als würde er eine alte Vespa imitieren.
Latzhosenmann: »Battle? Yeah … I know …«
Herr Jünschke: »Fantastic, can you tell us, where it was, please, Sir?«
Latzhosenmann (kratzt sich am Ohr und lächelt schelmisch): »Oh, yeah.«
Herr Jünschke verharrte in seiner Position und wartete auf weitere Ausführungen, doch der Mann sprach nicht mehr weiter, als wäre im falschen Moment das Band gerissen. Als er es dann doch tat, bereute es Herr Jünschke wahrscheinlich.
Latzhosenmann: »It’s here, but it was a thousand years ago, there’s nothing left, German prick. What did you expect, a fucking orchestra and a lasershow?«, sagte der Mann, schwang sich mit beachtlicher Grazie wieder auf seinen Traktor und fuhr davon.
Herr Jünschke stand versteinert da und starrte auf die Stelle, an der gerade noch der Bauer gestanden hatte. Sein Oxford-Englisch hatte als Maskerade nicht gereicht, die weißen Tennissocken, die abstruse Höflichkeit, er war schneller als deutscher Lehrer enttarnt worden als ein Stachelschwein im Streichelzoo.
Tausend Kilometer in einem stickigen Reisebus, eine Leibesvisitation, bei der er mehr Intimitäten erlebt hatte als in den letzten 20 Jahren Ehe, eine Fährüberfahrt durch Gewitter und wochenlange Unterrichtsvorbereitungen über die Schlacht von Hastings resümierten im Anblick einer Kuhweide in der südenglischen Pampa? Herr Jünschkes Gesicht zog sich zu wie der Himmel über dem Ärmelkanal.
»Scheiße!«, brüllte unser Englischlehrer über die Weite des englischen Ackerlands, aber sein Aufschrei verhallte im Nichts, nur Frau Möbus bekam ein wenig rote Wangen von solchen Obszönitäten.
»Der is feddich«, zischte Kemal und schoss ein Steinchen in Richtung der Kuhweide.
»Treffer«, brüllte er, eine Kuh ging genervt einen Meter vorwärts, und unser türkischer DiCaprio tanzte mit Jazz-Hands an uns vorbei.
»Wenigstens einer ist glücklich«, murrte Patrick und grinste mich mehrdeutig an.
Auf der Rückfahrt vom Schlachtfeld herrschte eine beängstigende Ruhe im Bus. Normalerweise war unsere Gruppe aus Halbstarken in der Lage, die Lautstärke einer Flugzeugturbine zu erreichen, jetzt allerdings hörte man jede Unebenheit, über die unser Gefährt auf der steinigen Landstraße polterte. Immerhin hatten wir auf unserem Rückweg zum Bus noch eine kleine, steinerne Gedenkplatte gefunden, die an die Schlacht von Hastings erinnerte und etwas wahllos an einer hügeligen Stelle in das Feld eingelassen worden war. Das von Herrn Jünschke vollmundig angekündigte Freilichtmuseum in der Nähe von Hastings war jedenfalls eine Enttäuschung gewesen, sofern man sich nicht für Viehzucht und Ackerbau interessierte. Desillusioniert wippte er in seinem Sitz am Kopfende des Busses auf und ab, während wir Schüler eine Flasche mit billigem Verschnitt aus Korn und Sprite herumgehen ließen. Seit einigen Minuten beobachtete ich, wie Rene Maurer von Minute zu Minute immer näher an Hanna Sommer rückte, er sagte irgendetwas, was ich nicht verstehen konnte, zu Mona und Hanna, und beide kicherten. Patrick klopfte auf meine Schulter, weil er meinen Gesichtsausdruck sah, mein Kopf wurde rot, ein kleines Vakuum aus Wut und Hilflosigkeit schwappte über meine Mimik.
»So ein Spacko, mach dir mal keine Sorgen, die findet den doch doof«, sagte er. Hanna hielt ihre Puppenhände vor den Mund und lachte. Freundschaft war manchmal sehr eng mit Lügen verknüpft, aber es schien ein unausgesprochenes Abkommen zwischen Freunden zu geben, so etwas nie infrage zu stellen. Betreten nickte ich und nahm einen tiefen Schluck aus der Sprite -Flasche.
»KAAAARAAAOKE!«, erschallte es plötzlich aus einer der vorderen Reihen, Kemal hatte am ereignislosen Straßenrand eine kleine Kaschemme ausgemacht, deren Discolichter durch die Fenster farbige Kleckse auf den Asphalt warfen. »Bernie’s Bounty«, stand in Neonfarben über dem etwas heruntergekommen wirkenden Häuschen, am Horizont versank gerade eine blutrote Sonne stilecht wie eine riesige Discokugel.
»Können wir da rein, Herr Jünschke, bitte, bitte!«, flehte Kemal. Langsam kamen uns anderen starke Zweifel an der Veranlagung unseres türkischen Pornopapstes, Karaoke fiel ebenso in die Kategorie »Mädchenkram« wie Schminken oder Ballett.
Vielleicht war Herr Jünschkes Gehirn nach unserem Nachmittag in der sengenden
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