Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
Vom Netzwerk:
der Bus wieder ansprang und langsam bergab rollte.

Calamity Jane
    »Oh well, that’s ya room«, sagte Jane Connor und lächelte über ihr silbernes Piercing hinweg, das vor ihren Frontzähnen klimperte.
    Die kleine fleischige Frau, die sich in den Körper eines irischen Preisringers verirrt hatte, war unsere Gastgeberin und Taylors Mutter. Sie zeigte in Richtung des schwarzen Lochs, in dem wir nun wohnen sollten.
    »Das is ’n Heizungskeller«, resümierte Patrick recht scharfsinnig. Neben dem Wasserboiler und einer Unzahl von Rohren und Gerätschaften wiesen eigentlich nur zwei Feldbetten auf den zweiten Bestimmungszweck als Gästezimmer hin. Immerhin fiel durch ein schmales Gitter an der Decke ein Spinnennetz aus Licht auf die graue Wand.
    »Nice …«, hustete ich und schob meinen Koffer vor mir durch die Tür, vielleicht konnte man ja noch mal den Diskurs suchen, nachdem man sich ein wenig frisch gemacht hatte.
    »Das is ’n Heizungskeller«, wiederholte Patrick. Hier trocknete man im Optimalfall seine Unterhosen, für Gäste waren die zehn Quadratmeter Kellerverlies eigentlich nicht unbedingt geeignet, allerdings herrschte in Janes Haus ein gewisser Platzmangel, was daran lag, dass sie und ihr Mann Jerry die Reproduktionsrate eines Grippeerregers besaßen.
    Schon als wir das Wohnzimmer des kleinen, windschiefen Backsteinbaus betraten, begrüßten uns schätzungsweise sechs verschiedene Kinder unterschiedlicher Altersklassen, ganz an der Seite hockte Taylor vor einem großen Fernseher, der anscheinend den Dienst verweigerte. Mehrmals schlug er mit der Handfläche genervt dagegen, doch der Bildschirm blieb einfach schwarz.
    Ich hustete pflichtbewusst ein halbwegs höfliches »Hello«, woraufhin mein ehemaliger Hausgast mechanisch den Kopf drehte und sofort ein Schatten auf die Züge seines Gesichts fiel, er hatte die Läuse in seinem Koffer anscheinend gefunden. Nicht nur sein Gesichtsausdruck, auch seine raspelkurzen Haare ließen dies zumindest vermuten.
    Bevor Jane die Namen ihrer Kinder aufzählen konnte, schob sich Taylor wie ein Eisbrecher wortlos dazwischen, rannte die Treppe hoch und knallte theatralisch die Tür hinter sich zu. Ich vermutete, dass das Umdrehen seines Zimmerschlüssels sehr wahrscheinlich das Letzte war, was wir in den nächsten Tagen von ihm zu hören bekommen würden.
    »Was hast du denn dem getan?«, zischte mir Patrick zu. Ich antwortete mit einem Schulterzucken, die Läusegeschichte wäre jetzt sicherlich ein wenig ausschweifend gewesen.
    In einer Ecke des Raumes saß eine alte Frau mit eingefallenen Wangen und strickte gedankenverloren an einem Strampelanzug.
    Patrick winkte der alten Frau zu, sie hob ihren Kopf, und fast glaubte ich ihren Hals wie ein altes Scharnier quietschen hören zu können. Dann öffnete sie ihren Mund und strickte sprechend einfach weiter, so als würden ihre Hände schon lang keine Signale vom Gehirn mehr benötigen. Was die alte Dame sagte, kann ich nur lautmalerisch wiedergeben, ihre Sprache klang ein wenig, als würde man den Radetzkymarsch rückwärts abspielen.
    »Dwaarfs … Jööörmän Dwaaarfs, Naaaazi Dwaaarfs.«
    »Mother!«, ermahnte Janet sie entsetzt.
    »Uuuu damb Jööörmän, teik ya bag end go hoooome!«
    »Welchen Dämon beschwört die denn?«, flüsterte mir Patrick zu, während ich versuchte, mir die kulturellen Unterschiede der Begrüßungsgesten einzuprägen. Immerhin schien das in England etwas anders abzulaufen als bei uns, wo mein Vater jeden Besucher an der Tür abnickte, als wäre er Arzt beim Kreiswehrersatzamt.
    Jane versuchte es nun noch engagierter: »Mother, shut up!«
    »What did she say?«, fragte ich unschuldig.
    »She likes you«, sagte Jane und warf ihrer Mutter einen bösen Blick zu, die uns immer noch mit Abscheu musterte, als wären wir Gerichtsvollzieher und würden ihr gleich den geblümten Ohrensessel unter dem Hintern wegpfänden.
    »What about your husband?«, fragte ich beiläufig, Patrick starrte die alte Frau mittlerweile gleichsam durchdringend an, als würde er damit rechnen, dass die Oma jeden Moment mit ihren Stricknadeln des Todes auf uns losging.
    »Oh yeah, that’s Jerry«, sagte Jane und nahm ein Foto von der Anrichte, nun lächelte uns ein glatzköpfiger Hüne an, auf seinem Arm biss eine Kobra in einen Totenschädel, die kleine Cindy krabbelte um seine Beine herum und zupfte an seinen … Fußfesseln. Im Hintergrund des Bildes konnte man den halb abgeschnittenen Körper eines uniformierten

Weitere Kostenlose Bücher