Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)
Wächters sehen, die Wände waren anders als unser Kellerverlies immerhin in einem hellen Eierlikör gestrichen, das beruhigte ja angeblich. Unser Gastvater lebte derzeit anscheinend auf Staatspension, Patrick und ich nickten höflich und taten so, als hätte uns Jane gerade einen netten Schnappschuss vom letzten Familiengrillen gezeigt.
»Jerry is in prison, but he’s innocent«, sagte Jane müde, als wäre dieser Satz ein Bausatz ihrer Sprache, den sie schon viel zu oft verwenden musste. Wenn Jerry unschuldig war, hatte er vor seinem Gang in den Knast aber eindeutig den Ratgeber »In zehn einfachen Schritten wie ein Berufsverbrecher aussehen« gelesen, denn unterhalb des Kobra-Totenkopfs waren die Buchstaben »T-H-U-G 4 Life« in Schwarz auf seinen Unterarm tätowiert. Plötzlich brüllte die alte Dame aus dem Sessel das erste Mal etwas, was man verstand, ihr Schwiegersohn war ihr offenbar nicht viel sympathischer als wir »Jörmans«.
Ihrem Ausruf »Tschääärii? This piece of shit!« folgte ein fast schon automatisches »Mother!« aus Janes Mund. Wir hatten uns aus unseren deutschen Mittelstandsleben wohl zielsicher in eine englische Folge »Frauentausch« gebeamt.
»Are you hungry?«, fragte Jane. Nach zwei Tagen, in denen wir uns im Bus von gammeligen Bananen und Keksen ernährt hatten, folgten wir ihr begeistert in die Küche.
»Don’t feed thä Jörmäääns!«, hallte uns das Echo gescheiterter Koalitionsgespräche hinterher, als wir die Küche betraten. Langsam begannen wir wenigstens, das Englisch unserer Gastgeberoma zu verstehen.
Bernie’s Bounty
»Hier müsste es eigentlich sein …«, brabbelte Herr Jünschke in seinen Bart und kratzte sich am Kopf, während ein paar Meter weiter eine Kuh einen kapitalen Haufen in die Botanik kackte. Unentschieden scharrte er mit den Gummisohlen seiner Sandalen auf dem Kiesboden des kleinen Wanderweges, seine weißen Tennissocken waren bis zu den behaarten Knien hochgezogen. Neben ihm fächerte sich Frau Möbus ein wenig Luft zu, der Sommer hatte mittlerweile sogar unser Reiseziel erreicht, nachdem es auf der Fähre noch mächtig gestürmt hatte.
»Hier is ’n Scheiß«, murrte Kemal und drehte seinen kleinen schwarzen Kopf in alle Himmelsrichtungen. Zu allen Seiten waren grüne Felder zu sehen, auf denen ein paar robuste Bäume ihre Wurzeln in den kargen Boden geschlagen hatten, etwas abseits tuckerte ein kleiner Mann mit einem Minitraktor über den Acker.
»Schau doch auch mal auf die Karte, Sybille!«, knurrte Herr Jünschke genervt Frau Möbus an, seit wir hier im Nirgendwo herumstanden, hatte er sogar sein Oxford-Englisch vergessen. Unsere Gruppe war nun schon seit drei Stunden unterwegs, was nicht etwa daran lag, dass der Abstand zwischen Hastings und dem historischen Schlachtfeld so enorm groß gewesen wäre, sondern daran, dass selbst der Busfahrer nicht wusste, wo die Schlacht jetzt eigentlich genau stattgefunden hatte.
Nun standen wir auf einem Feld in Südengland, die Sommersonne brannte erbarmungslos auf Herrn Jünschkes schütteres Haar und in unsere Kindergesichter, der alte Mann auf dem Traktor spuckte Eigelb auf seinen Acker, und nirgendwo waren Wilhelm der Eroberer oder der unterlegene König Harald der Zweite zu sehen. Nur Harald Jünschke der Erste in seinen weißen Sportsocken und den Jack-Wolfskin -Outdoorsandalen.
»Excuuuuse me«, näselte unser beherzter Pädagoge über den Acker in Richtung Traktor. Frau Möbus entglitt ein genervtes Seufzen, der Lehrauftrag des heutigen Tages war noch nicht erfüllt. Wir Schüler standen unbeteiligt auf der Wiese, Rene Maurer machte Kniebeugen, Gökhan trat einen Stein über den Kiesweg, Hannas beste Freundin Mona Bauerfeind biss schmatzend in ein Käsebrot. Der Traktor stoppte, und der kleine Bauer in der petrolfarbenen Latzhose glitt von seiner Sitzschale. Der folgende Dialog war ein Musterbeispiel gescheiterter Völkerverständigung, selbst ein Gespräch zwischen einem Glas Senf und einem Pinguin wäre wahrscheinlich ertragreicher.
Herr Jünschke (mit einer Aussprache, als würde er eine Dokumentation auf BBC moderieren): »Hello Sir, can you help us, please?«
Latzhosenmann (kaut auf etwas, vielleicht auf seiner Zunge): »Whoat?«
Herr Jünschke: »Do you know the Battle of Hastings?«
Latzhosenmann: »Whoat?«
Herr Jünschke (dezent verzweifelt): »The battle … battle of Hasting, William the Conqueror … you know?«
Um seinen Worten noch mehr Gewicht zu geben, fuchtelte Herr
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