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Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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einen Kampf gewonnen hatte, und dazu lief wieder die deutsche Nationalhymne, diesmal zumindest nicht auf Ivans Todestrompete, sondern auf dem Keyboard.
    »Hui, die Russen haben ganz schön einen am Senkel«, resümierte Patrick leise.
    »Das war erst der Anfang, mein Freund«, dachte ich mir still und schwieg.
    Nun kündigten der Zonk und Svetlana den nächsten Tagesordnungspunkt an: die Geschenkübergabe. Meine Familie reihte sich ordentlich in eine unendlich wirkende Menschenschlange, die zur Festtafel führte. In der Menschenmenge hatte sich mittlerweile ein kleiner Streichelzoo eingefunden, fröhlich angetrunkene Kolchosebauern schoben Ferkel vor sich her, ein paar Gänse rannten mit ausgebreiteten Flügeln vor einem Kind davon, insgesamt wirkte es eher wie die Auflösung eines Tierheims. Ich umklammerte den Hühnerkäfig, während mein Vater wie ein slowenischer Autoschieber seine Geldscheine zählte, Ivan beobachtete ihn dabei kritisch, nach seinem fehlenden Handelsversuch beim Hühnerhändler vertraute er meinem Vater wohl nicht mehr.
    Als wir an der Reihe waren, ohrfeigte mich Sergej aufs herzlichste, Ludmilla verschlang mein Gesicht mit einem riesigen Schmatzer und nahm uns die Hühner ab, die neben der Hochzeitstafel Platz fanden. Ivan überprüfte, ob mein Vater auch das volle Geldbündel an die Eheleute Lokosimov überreichte, erst dann wurden wir wieder zu unserem Tisch geführt, der ausschließlich auch mit Gästen aus »Cheurrropa« besetzt war, jedenfalls nach Ivans Interpretation. Eigentlich hatte nur Onkel Nikita mal einige Zeit in Hamburg gelebt, was er uns mit einem »Deutscheland supadupa« verdeutlichte. Viel war von seinen deutschen Sprachkenntnissen nicht mehr übrig, der kleine Mann mit der Halbglatze, den karierten Hosenträgern und dem Dauergrinsen erzählte radebrechend von seiner Zeit in »Santa Fu«, was sich erst nach einiger Pantomime als Bezeichnung für das Hamburger Gefängnis in Fuhlsbüttel auflöste. Trotzdem »Deutscheland supadupa«.
    Dann gab es einen kleinen Wodka für alle Hochzeitsgäste. Ich hätte zwar lieber eines der Hochzeitshühner samt Federn heruntergeschluckt, als schon wieder den russischen Rachenputzer hinabzustürzen, aber Onkel Nikitas kritischer Blick ließ keine Ausnahme zu. Patrick dagegen setze sofort an, was Onkel Nikita mit einem High Five belohnte. Insgesamt wirkte der lustige, kleine Mann ein wenig wie Ivans Hilfssheriff, gerade als wir froh waren, Ivans Trinkkontrolle entronnen zu sein, setzte jetzt Onkel Nikita an, uns generalsstabmäßig abzufüllen.
    Onkel Nikita hatte sich vorgenommen, uns einen russischen Trinkspruch beizubringen, aber weder Zunge noch Hirn gehorchten mehr. Aus seinem fein ausformulierten »Potstalom mui uvidimsje snova« wurde aus meinem Mund ein wenig verständliches »Pnosten muvuschnoffa«, was anscheinend einer russischen Beschimpfung ähnelte, jedenfalls haute mir Onkel Nikitia erst mal beherzt eine runter.
    »Prostren movisnuffi«, versuchte es Patrick erneut und bekam ebenfalls eine gebrezelt. Es war nicht ganz klar, ob das jetzt noch trinkpädagogisches Bemühen oder schon Sadismus war. Mittlerweile hätte ich sogar lieber eine Vertretungsstunde bei meinem Vater genossen als dieses Seminar bei Onkel Nikita, denn als ich es endlich schaffte, seinen Trinkspruch halbwegs richtig wiederzugeben, bekam ich eine doppelte Portion eingeschenkt. Auch die Wodkaversorgung meiner Eltern überwachte Onkel Nikita generalstabsmäßig, meine Mutter hatte mittlerweile aufgegeben, während mein Vater noch versuchte, sich zu wehren und einen Großteil des Schnapses mit Wasser auszugleichen. Ein heilloses Unterfangen.
    »Papa, weißt du eigentlich, was dieser Trinkspruch zu bedeuten hat?«, fragte ich meinen Vater leise, um mir nicht wieder eine Backpfeife von Nikita einzufangen.
    »Wir sehen uns unter dem Tisch« sagte er trocken und nahm noch einen tiefen Schluck aus seinem Wasserglas.
    Dass diese Hochzeit mehr von einem Kindergeburtstag auf LSD hatte, als von einer besinnlichen Feier, verdeutlichte auch der nächste Anlass. Dazu wurden verschiedene Männer von dem Zonk und Svetlana von den Tischen geholt und dann von den als Frauen verkleideten Cousins, die den Abend über in eigenartiger Folkloretracht kellnerten, an allen vier Gliedmaßen festgehalten und in die Luft gehoben. Daraufhin musste sich die Braut unter dem Gejohle des Publikums auf zwei Stühle stellen und der jeweilige Mann wurde unter ihren Beinen wie eine Glocke hin- und

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