Lebenslänglich
Taxi setzte sie an einem belebten Motorradparkplatz ab. Sie passierte die Drehtür und ging zum Empfang.
«Ich brauche eine Auskunft vom Dezernenten des Disziplinarausschusses», sagte sie, ohne sich vorzustellen oder auszuweisen; sie war hier, um in ihrer Eigenschaft als interessierte Staatsbürgerin einige öffentliche Informationen einzuholen.
«Haben Sie einen Termin?», fragte der Rezeptionist, ein junger Mann mit Elvisfrisur und dickem Brillengestell. Annika wechselte das Standbein.
«Das ist nicht nötig», sagte sie. «Ich möchte ein eventuelles Disziplinarverfahren einsehen.»
Der Rezeptionist seufzte und griff nach dem Telefonhörer. Er wandte sich ab und murmelte etwas in die Sprechmuschel.
«Er kommt», teilte er anschließend mit und widmete sich wieder seinem Sudoku.
Annika schaute durch die Türen nach draußen zum Park.
Dort, auf der anderen Seite des Hügels, lag der Friedhof, wo Josefin Liljeberg in jenem heißen Sommer ermordet aufgefunden wurde, das musste jetzt zehn Jahre her sein.
Sie ging zur Tür und blickte nach links hinunter.
Dort unten lag damals das «Studio Sex», der Pornoclub, der im selben Herbst dichtmachen musste, nachdem der Besitzer wegen einer Reihe von Wirtschaftsverbrechen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war.
Er wurde nie wegen des Mordes an Josefin angeklagt.
«Worum geht es?»
Ein älterer Mann mit Strickjacke und Bart blinzelte sie freundlich an. Annika war einen Moment verwirrt, bis ihr wieder einfiel, weswegen sie hier war.
«Ich möchte gern wissen, ob einem bestimmten Polizisten eine Straftat zur Last gelegt wurde», sagte sie.
«Gibt es Grund zu der Annahme, dass dies der Fall war?»
«Den gibt es wohl immer», sagte sie.
«Hier entlang, bitte», sagte der Mann.
Er ging vor ihr durch eine Glastür und betrat einen Aufzug, drückte den Knopf mit der Ziffer 11, und der Fahrstuhl sauste aufwärts.
«Kennen Sie die Personennummer des Betreffenden?», fragte der Mann, und Annika nickte.
Der Aufzug hielt mit einem schmatzenden Geräusch, in Annikas Bauch kitzelte es. Sie folgte dem Mann durch den Präsidiumskomplex, durch verschlungene Korridore und niedrige Türen, und landete schließlich in einem engen kleinen Büro mit herrlicher Aussicht über den Park. Sie reckte den Hals.
Man sieht den Friedhof immer noch nicht. Der liegt auf der Rückseite, hinunter zum Fridhelmsplan.
Sie legte ihm den Block mit Davids Personennummer vor, und der Mann gab sie in seinen Computer ein.
«Haben Sie alle Informationen über angeklagte Polizisten hier gespeichert?», fragte sie, während die Festplatte arbeitete.
«Nicht alle», sagte der Dezernent. «Erst die ab 1987. Die älteren liegen bei den einzelnen Landesverwaltungen.» Er blickte auf.
«Welches der Verfahren möchten Sie einsehen?»
Welches der
Ihr Puls machte einen Hüpfer.
«Gibt es mehrere?»
«Zwei.»
Sie schluckte.
«Beide.»
«Die müssen auf Geheimhaltung überprüft werden, ich darf Sie also bitten, am Montag wiederzukommen.»
Annika beugte sich über den Schreibtisch des Mannes und versuchte, auf seinen Bildschirm zu spähen. Der Monitor war etwas zur Seite gedreht, sodass sie nichts erkennen konnte.
«Könnten Sie das nicht gleich jetzt machen?», bat Annika. «Ach bitte, ja?»
Der Mann betrachtete die Angaben auf seinem Bildschirm etwas genauer.
«Interessante Verfahren», sagte er. «Lange her, aber der Angeklagte ist ja unverschuldet ziemlich aktuell geworden.»
Er lächelte und warf einen Blick über die Schulter.
«Unser Jurist ist gerade hier», sagte er. «Der Vorgang liegt im Archiv, ich werde ihn holen gehen und mich erkundigen, ob wir das nicht sofort prüfen können.»
Er verschwand im Labyrinth der Korridore.
Annika widerstand dem Impuls, um den Schreibtisch herumzugehen und heimlich zu lesen, was auf dem Bildschirm stand; stattdessen trat sie ans Fenster und sah auf den Kronobergspark hinaus.
Ihre alte Wohnung lag in der Hantverkargatan, nur zwei Straßen entfernt. In dem Park hier unten war sie mit Kalle und Ellen jeden Tag gewesen, bei Regen, Sonne und Schneesturm. Sie hatte sich die steilen Straßen hochgekämpft, damit die Kinder auf dem Spielplatz an der Feuerwache herumtoben konnten.
Sie selbst hatte sich mit einer der steinharten Parkbänke begnügt, umgeben von Caffe-Latte-Müttern, die lautstark versuchten, einander mit Renovierungsproblemen und Frankreichreisen zu übertrumpfen.
Sie setzte sich in die Fensternische und ließ die Gedanken
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