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Lebenslang Ist Nicht Genug

Titel: Lebenslang Ist Nicht Genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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sich an den Küchentisch.
    »Laß das.«
    »Was? Darf ich mich etwa nicht setzen?«
    »Natürlich. Aber du sollst nicht vor dem Essen naschen. Tu nicht so, als hättest du mich nicht verstanden.«
    »’tschuldige. Ich wußte nicht, daß eine Möhre dir was ausmacht.«
    »Du siehst ja selber, daß ich heute abend knapp bin mit dem Essen.« Gail betrachtete zaghaft die magere Auswahl, dann wandte sie sich plötzlich brüsk an ihre Tochter.
    »Fährst du manchmal per Anhalter? Sag mir die Wahrheit!«
    »Ganz selten«, antwortete Jennifer widerstrebend. Sie spürte, daß Ärger in der Luft lag.
    »Das ist doch das Letzte!« Gail schlug mit der Faust auf den Tisch.
    »Ich tu’s nicht mehr«, versicherte Jennifer rasch. »Ich bin nicht mehr getrampt seit...«
    »Wenn ich je erfahre, daß du’s noch mal machst, kriegst du ein halbes Jahr Hausarrest. Hast du mich verstanden?«
    Jennifer betrachtete ihre Mutter mit wachsender Besorgnis. »Ja.« Sie senkte den Blick.

    »Großer Gott, wie konntest du nur so leichtsinnig sein?«
    »Wie kommst du ausgerechnet jetzt aufs Trampen? Ist vielleicht was passiert? Ist von unseren Bekannten jemand verletzt worden, oder was?«
    »Muß erst jemand zu Schaden kommen, damit du Vernunft annimmst?«
    »Warum schreist du mich so an?«
    »Ich verbiete dir, jemals wieder zu trampen. Ist das klar?«
    »Ja« schrie Jennifer zurück. »Ich hab’ dir doch gesagt, ich tu’s nicht mehr.«
    Sie schwiegen beide. Gail ließ Wasser ins Spülbecken laufen.
    »Und da ist noch was, worüber ich mit dir reden wollte.« Sie wählte ihre Worte mit Bedacht.
    »Und das wäre?«
    »Eddie.«
    Jennifers Augen weiteten sich vor Staunen. »Was ist mit Eddie? Ich dachte, du magst ihn.«
    »Ja. Aber ihr beide steckt jetzt seit fast zwei Jahren ständig zusammen, und ich fände es gut, wenn du dich auch mal mit ein paar anderen jungen Leuten treffen würdest.«
    »Wir sind seit neunzehn Monaten zusammen«, korrigierte Jennifer ihre Mutter. »Und ich will mit niemand anderem ausgehen. Ich liebe Eddie.«
    »Woher willst du wissen, ob du ihn liebst, wenn du keine Vergleichsmöglichkeiten hast?«
    »Ich brauche ihn mit niemandem zu vergleichen!«
    »Spätzchen, ich sag’ ja auch nicht, daß du dich nicht mehr mit ihm treffen sollst. Ich rate dir nur, auch einmal andere Jungen kennenzulernen.«
    »Ich will aber niemand anderen kennenlernen! Wie kommst du bloß plötzlich auf solche Ideen?«
    »Schon gut, schon gut. Ich hab’ ja nur einen Vorschlag gemacht. Willst du mir einen Gefallen tun und wenigstens mal drüber nachdenken?«

    »Nein.«
    Mutter und Tochter tauschten trotzige Blicke. »Julie hat angerufen und mich zum Abendessen eingeladen. Ich hab’ gesagt, ich würde wahrscheinlich nicht kommen, aber wenn’s dir recht ist, möchte ich doch hingehen. Du hast nur Reste für heute abend, und wenn ich bei Julie und Dad esse, reicht es für dich und Jack. Bist du einverstanden?«
    »Nur wenn dein Vater dich abholt und wieder heimbringt.«
    »Das tut er bestimmt.« Jennifer stand auf und ging ans Telefon. Gail tat so, als höre sie nicht zu, während ihre Tochter ungezwungen mit der Frau ihres Exmannes plauderte.
    »Dad holt mich in’ner halben Stunde ab.«
    Gail nickte schweigend, als Jennifer aus der Küche ging.

19
    Am Freitag morgen bestand Jack darauf, am Wochenende mit Gail allein wegzufahren. Sie brauchten Zeit füreinander, nur sie beide, betonte er; sie müßten für ein paar Tage aus allem heraus.
    Er entschied sich für Cape Cod.
    Zum erstenmal waren Gail und Jack in ihren Flitterwochen auf Cape Cod gewesen, vor neun Jahren also. Damals war es ihr zauberhaft erschienen, aber damals hatte sie das ganze Leben wunderbar gefunden. Zwar konnte selbst ein übersättigter Weltenbummler den Charme der Halbinsel nicht leugnen, aber Gail empfand ihn jetzt nicht mehr so wie früher. Hier und da hatte ein fröhlicher Anstrich den alten Holzhäusern rechts und links der Straße neues Leben eingehaucht - unwillkürlich fühlte man sich an das Wörtchen »malerisch« aus dem Patti-Page-Song erinnert; aber anderswo war der Zauberstab so ziellos und sprunghaft am Werk gewesen, daß malerische Effekte sich in Kitsch verwandelt hatten.

    Selbst im Oktober waren die Touristen den Einheimischen zahlenmäßig noch überlegen. Die Dünen wirkten kleiner, die salzige Luft roch nicht mehr so angenehm wie früher. Neun Jahre lang hatte Gail Cape Cod für ein Paradies auf Erden gehalten. Jetzt wußte sie, daß es so etwas nicht

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