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Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Titel: Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Lütz
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harmlose liebe Gott gar nicht der Gott der Christen war. Was da im 18. Jahrhundert in Vergessenheit geraten war, das war der christliche Glaube, dass das Leiden der Preis der Freiheit ist – und dass die Antwort Gottes auf das Leiden nicht das Wegmachen des Leidens war mit all den oben genannten verheerenden Folgen, sondern im Gegenteil das Annehmen des Leidens. Wenn Gott nach christlicher Auffassung nicht der harmlose »liebe Gott« ist, sondern von sich behauptet, die Liebe selbst zu sein, vor allem die Liebe zu den Menschen, dann kann er nicht unberührt bleiben vom Leid der Menschen. Und seine Antwort auf das Leid, so glauben die Christen, ist nicht rhetorisch, auch nicht manipulativ, sondern sozusagen höchst persönlich und existenziell. Er wird selbst ein schwacher Mensch, leidet selbst und wird getötet ohne Schuld. Liebesbereitschaft ist Leidensbereitschaft. Die Antwort Gottes auf das Erdbeben von Lissabon war aus christlicher Sicht nicht theoretisch oder pädagogisch, die Antwort war das Leiden und der Kreuzestod Jesu Christi, der Gott selbst war. Diese Solidarität mit den Leiden aller Menschen bis zum Letzten gab dem Leiden einen anderen Sinn. Die Offenbarung des Christentums ist, dass das Leiden des Jesus Christus sogar heilbringend ist. Erlösung ist so gesehen kein leichtfertiges Zauberkunststück des Allmächtigen, sondern der wirksame leidvolle Einsatz Gottes für die Menschen. Das Überraschende am Christentum gegenüber anderen Gottesvorstellungen ist, dass Gott selbst so dicht dran ist am Menschen und seinem Leid.
    Die theoretische Gottesvorstellung der Griechen kannte nur einen leidenslosen Gott. Auch die Esoterik heute hat keine Antwort auf das Leiden. Der Gott des christlichen Glaubens leidet selbst und ist dadurch der erlösende Gott. Immer dann, wenn man das vergisst und das Christentum zur billigen Harmlosigkeit von Friede, Freude, Eierkuchen verkommt, dann meldet sie sich wieder, die bohrende Frage nach dem Sinn des Leidens.
    Papst Johannes Paul II., in der Nähe von Auschwitz geboren, hat die erschreckende Tiefe menschlichen Leids gespürt. 1984 hat er ein Schreiben »über den heilbringenden Sinn des Leidens« verfasst. Nicht um Leidensverherrlichung geht es da, sondern um die christliche Antwort auf die beunruhigende Frage nach dem Sinn des Leidens. Als Mensch der Moderne wusste der Papst, dass sich an dieser Frage die Glaubwürdigkeit jeder Religion entscheidet. Recht hat er doch, der Atheist, dem die Religion zum Teufel gehen kann, die an der empörenden Existenz unschuldigen Leidens wortreich vorbeistolpert! Zweifellos ist das Leiden zunächst einmal ein Übel. Es ist der Schatten der Freiheit. Im Leiden erfährt der Mensch, dass er das für ihn bestimmte Gute nicht erreicht. Schon das Alte Testament der Bibel verweigert sich da einfachen Deutungen. Im vielleicht erschütterndsten Teil der vorchristlichen Heiligen Schrift, dem Buch Hiob, begegnet man einem schuldlos leidenden Menschen, der durch alles Leid hindurch, auch im Hadern mit Gott, den Glauben an Gott nicht verliert. Diesem im Leid errungenen Glauben geht jede Gemütlichkeit ab. Das Buch Hiob, das bis zu Goethes »Faust« hin die Gemüter bewegte, bietet keine billige Auflösung der Frage nach dem Sinn des Leidens, das auch hier ein Geheimnis bleibt. Aber es macht deutlich, wie ein Mensch im leidgeprüften Glauben über sich selbst hinauswachsen und sich so ausrichten kann auf das Eigentliche, nämlich auf das Heil, das er nicht herstellen kann, sondern das er von Gott erhofft.
    Wer einmal einem zutiefst leidenden Menschen begegnet ist, der wird erlebt haben, wie Menschen in einem solchen Leiden eine ganz besondere Würde ausstrahlen. Der Psychiater Victor Frankl stellte sich inmitten der Unmenschlichkeit des Konzentrationslagers vor, er würde später darüber einen Vortrag in der Wiener Volkshochschule halten. Durch die objektivierende Betrachtung der Leiden, die er selbst und andere erlitten, konnte er die entsetzlichen Erniedrigungen seelisch überleben und sich das Bewusstsein seiner Würde bewahren. Leidende Menschen werden Christus ähnlich, hätten die Mystiker gesagt. Und manch ein Mensch hat im Leiden den Weg zu einem Glauben gefunden, der ihn dann sein Leben lang getragen hat. Die Antwort auf die offene Frage des Hiob ist nach christlichem Glauben nämlich das überraschende Kommen Gottes selbst in diese Welt – als Leidender. Die ganze Geschichte Jesu Christi kann man lesen als eine einzige Aufrichtung und

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