Lebenssonden: Roman (German Edition)
geschlagen, das ihn nun anstarrte.
Außer dem klaffenden Loch war die Rückseite der Scheibe mit irgendetwas besudelt. Der Farbton war ein gleichförmiges rötliches Braun, die exakte Nuance von vakuumgefrorenem menschlichem Blut.
»Sehen Sie nach dem Admiral, schnell!«, befahl Stassel.
Zwei Techniker kletterten die Leiter hinauf und brauchten dann ein paar Sekunden, um sich einen Weg nach innen zu bahnen. Einer schob sofort den behelmten Kopf durch die offene Luke. Er hörte sich ziemlich elend an.
»Der Admiral ist tot, Major. Was auch immer es war, es ist direkt durch ihn hindurchgegangen.«
30
Stassel schauderte im Raumanzug und unterdrückte einen Brechreiz. Nicht dass er Liu gemocht hatte – ganz bestimmt nicht. Der Admiral war ein überaus reservierter Mensch gewesen und hatte die Barriere zwischen Vorgesetztem und Untergebenem streng aufrechterhalten. Ihre Beziehung war eine rein »geschäftliche« gewesen, ohne die Kameradschaft, die sich normalerweise zwischen Fachleuten entwickelt. Aber Liu war ein guter Kommandant gewesen: Einer der Besten, für die Stassel jemals gearbeitet hatte. Ohne Liu und seinen fast sechsten Sinn für mysteriöse Lichter im Himmel wäre das Projekt Jungadler nie realisiert worden. Und nun war er nicht mehr da.
Die Verantwortung für die Graf Bernadotte und für die überlebenden Besatzungsmitglieder war nun auf den Ersten Offizier übergegangen. Stassel holte tief Luft – erfüllt mit dem Gestank nach Öl und Schweiß und anderen, nicht so ohne weiteres identifizierbaren Gerüchen. Diese einfache Verrichtung genügte, um ihn von seiner düsteren Stimmung zu befreien. Eine plötzliche eisige Ruhe ergriff von ihm Besitz.
»Gehen Sie wieder an Ihre Konsolen, Marines«, befahl er auf den allgemeinen Anzugs-Schaltungen. »Wir haben einen Krieg auszukämpfen.«
In einer plötzlichen Aufwallung von Geschäftigkeit kehrten die Techniker zu ihren Gefechtsstationen zurück. Er musterte den Nachrichtenoffizier mit einem eisigen Blick – dessen Wirkung jedoch durch den Umstand zunichte gemacht wurde, dass niemand sein Gesicht in der schattigen Enge des Helms zu sehen vermochte.
»Haben wir Außenkommunikation?«
»Nein, Sir. Wir sind völlig isoliert. Taub, stumm und blind.«
»Wie lange dauert die Reparatur?«
»Eine halbe Stunde, vielleicht etwas länger.«
»Sie haben fünf Minuten. Ich brauche eine Kommunikationsmöglichkeit, und seien es nur zwei Dosen und eine Schnur.«
»Jawohl, Sir.«
»Detektoren!«
»Major?«
»Ich brauche taktische Daten, und ich brauche sie schnell.«
»Geht nicht, Major. Die Fernbereichs-Scanner sind noch betriebsbereit, doch das Gyroskop hat es förmlich zerrissen. Ich kann mit diesem Schrott rein gar nichts verfolgen.«
»Arbeiten Sie manuell.«
Der Techniker hob frustriert die Hände. »Ohne Gruen haben wir niemanden, der mit der manuellen Ausrüstung zurechtkommt.«
»Sie irren sich.« Stassel drehte sich um. »Brea!«
»Ja, Eric?«
»Übernimm du die Detektorenstation. Sieh zu, dass du dem Fernbereichsteleskop ein Bild von der Sonde entlockst.«
»Schon so gut wie erledigt.«
Er kehrte zu seiner eigenen Konsole zurück und stellte angenehm überrascht fest, dass die Einsatzfähigkeit zumindest teilweise wiederhergestellt worden war.
»Verbinden Sie mich mit der Technik«, befahl er.
»Ich kann aber nur Ton liefern, Sir.«
»Dann tun Sie es.«
»Chefingenieur«, kam sofort die Antwort.
»Hier ist Stassel. Liu ist tot. Wie schlimm sieht es im Maschinenraum aus, Chief?«
»Könnte schlimmer sein, Major. Wir werden den Booster in ungefähr zehn Minuten wieder zum Laufen bringen.«
»Was fehlt ihm?«
»Ein Trümmerstück hat ein paar elektrische Kabel, die zu den I-Masse-Feldspulen führen, durchtrennt. Die Anlage hat sich daraufhin vorsichtshalber selbst abgeschaltet. Das hat aber auch sein Gutes, denn sonst hätten wir die Singularität verloren und wirklich Probleme bekommen!«
»Halten Sie mich über den Fortschritt auf dem Laufenden.«
»Jawohl, Sir.«
»Schadenskontrolle.«
»Sergeant Abdulla.«
»Hier ist Stassel. Ich habe das Kommando übernommen. Wie schlimm steht es?«
»Wir sind zwar ordentlich perforiert, Major, aber wir müssten die Lecks trotzdem in ein paar Stunden abgedichtet haben. Der Brocken scheint in der Nähe von Luftschleuse Fünf durch den Bug eingedrungen zu sein. Er ist durch den Dritten Quadranten gegangen und im Maschinenraum wieder ausgetreten. Es ist nichts Lebenswichtiges beschädigt
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