Lebenssonden: Roman (German Edition)
ein reines Alphaner-Geheimnis war, vermochte man es an der Quelle zu kontrollieren. Doch nun kann es jederzeit allgemein zugänglich gemacht werden. Auf einen Streich hat sie die Möglichkeit ausgeschlossen, dass eine Einzelperson oder Gruppe die absolute Kontrolle über den Antrieb erlangt. Sobald die Information veröffentlicht wird, werden überall auf diesem Planeten Sternenschiffe gebaut.«
»Wenn das stimmt«, sagte Duval, »wieso hat sie diese Information dann nicht schon veröffentlicht?«
Chryse zuckte die Achseln. »Vielleicht sind Frontalangriffe nicht ihr Stil. Vielleicht hat sie auch etwas vor, zum Bespiel den Sturz der Gemeinschaft . Lassen Sie den Kopf nicht hängen. Bedenken Sie, mit wem wir es zu tun haben. PROM ist Nachkomme einer außerirdischen Maschine. Von ihrem Standpunkt aus ist das Überleben der menschlichen Rasse unwichtiger als das Bedürfnis der Schöpfer , sich von ihrem Sternensystem zu emanzipieren. Glauben Sie ernsthaft, dass sie zögern wird, die derzeitige Solarier-Regierung zu stürzen, wenn sie glaubt, dass sie ihr im Weg ist?«
»Dazu hat sie nicht die Macht!«
»Machen Sie Witze? Die Kontrolle über die Datenbanken verleiht ihr alle Macht der Welt! Wenn man berücksichtigt, was sie im Gegenzug anzubieten vermag, besteht ein großes revolutionäres Potenzial.«
»Wie lautet also Ihre Empfehlung?«
»Dass Sie natürlich genau das tun, was sie will. Es liegt auch in unserem Interesse.«
»Sie scheinen sich diesbezüglich ziemlich viele Gedanken gemacht zu haben.«
»Ich habe nicht nur darüber nachgedacht , Vorsitzender«, sagte Chryse mit Stolz in der Stimme. »Ich habe auch gehandelt.«
»Wie denn?«
»Ich habe PROM ein Angebot gemacht, als ich heute Morgen mit ihr telefonierte.«
»Ein Angebot?«
Chryse nickte. »Ich sagte ihr, wenn die Gemeinschaft die Sternenflotte nicht baut, würden Haller & Partner einspringen. Sie hat mein Angebot akzeptiert.«
Duval schaute sie fast eine Minute finster an, bevor er sagte: »Es hat eher den Anschein, dass Sie uns ordentlich über den Tisch gezogen haben. Haben Sie auch über die Konsequenzen nachgedacht, die das für Ihre zukünftigen Geschäftsbeziehungen mit der Gemeinschaft haben könnte? Bedenken Sie, PROM wird nicht immer in der Nähe sein, um Sie zu schützen.«
Chryse lehnte sich auf dem Stuhl zurück und musterte Henri Duval für eine Weile. »Wenn das eine Drohung gegen meinen Vater sein soll, zieht sie nicht. Er liebt Machtpolitik. Und was mich betrifft, sparen Sie Ihren Atem. Ich werde nicht mehr lange hier bleiben. Wenn die Expedition zur Schöpfer -Sonne aufbricht, will ich dabei sein!«
46
Robert Braedon saß am Schreibtisch und sah die bernsteinfarbenen Zeilen des Morgenberichts auf der Mattscheibe des Computermonitors flimmern. Während seine Augen den Bildschirm überflogen, waren die anderen Sinne voll auf das Schiff konzentriert. Die Ohren lauschten dem unablässigen Surren der Ventilatoren; die Haut spürte ein kaum wahrnehmbares Vibrieren im Deck unter den Stiefeln; die Nackenhaare sträubten sich in einer kühlen künstlichen Brise; die Nase witterte die schwachen Gerüche von Ozon durch die elektrische Ausrüstung, von gebackenem Brot und frischer Farbe. Und all diese Gerüche überlagerten einen schwächeren Basisgeruch – die kloakenartigen Ausdünstungen von Mensch und Maschine, die in allzu engem Kontakt standen.
»Noch eine halbe Stunde bis zum Ausbruch, Robert«, sagte PROM aus dem Computerlautsprecher vor ihm. »Sie hatten um eine entsprechende Benachrichtigung gebeten.«
Er nickte und bestätigte zugleich per Tastendruck die Annahme des Morgenberichts. »Informieren Sie die Brücke, dass ich in Kürze nach oben komme.«
»Wird gemacht.«
Der Bericht verschwand von Braedons Bildschirm und wurde von der numerischen Zeit-/Datums-Standardanzeige ersetzt. Als er den Blick auf die glühenden Ziffern richtete, wurde er daran erinnert, dass nun schon sechs Jahre seit jener schicksalhaften Nacht vergangen waren, als die Gemeinschaft Moose Hill angegriffen hatte. Wenn er bedachte, was seitdem alles geschehen war, erschien es ihm eher wie sechs Lebensalter.
Die Ereignisse hatten eine beachtliche Dynamik entwickelt, nachdem die Gemeinschaft unter PROMS Druck kapituliert hatte. Innerhalb von Stunden waren Raumwacht-Ingenieure bei der Procyon’s Promise erschienen und hatten sich der heiklen Aufgabe unterzogen, die Haftminen zu räumen. Kaum dass die Promise für sicher erklärt worden war,
Weitere Kostenlose Bücher