Lebenssonden: Roman (German Edition)

Anomalie auf, Robert. Wir sind noch nicht sicher, wie ernst es ist.«
    »Was ist denn passiert?«
    Reickert räusperte sich unbehaglich. »PROM hat ungefähr zwanzig Minuten lang Alarm gegeben, nachdem sie eine Störung im Sperrschaltkreis der sekundären Phasenschleife entdeckte. Es hat aber nur ein paar Millisekunden gedauert und auch nicht die gemäß den Spezifikationen zulässigen Toleranzen überschritten. Ich hatte keine Erklärung dafür und hielt es für das Beste, den Rat eines Experten einzuholen.«
    »Was ist passiert, PROM?«
    »Die Synchronisation der sekundären Feldspulen mit ihrem Regelkreis ist für einen kurzen Moment gestört worden, Robert. Die Sicherheitsschaltungen haben das abgefangen und die Störung innerhalb von zwei Millisekunden behoben.«
    »Aber wieso ist sie überhaupt aufgetreten?«
    »Das geht aus den Daten nicht eindeutig hervor. Die wahrscheinlichste Ursache ist ein Leistungsabfall in einer oder mehreren Komponenten in der Rückkopplungsschleife. Mit anderen Worten: Die Einstellungen des Sternenantriebs haben sich leicht verschoben.«
    »Es ist wahrscheinlich eine der Komponenten, die wir nach dem Feuer installierten«, sagte Reickert. »Wir haben vielleicht nicht alles perfekt synchronisiert.«
    »Ist das Schiff in Gefahr?«
    »Wir glauben nicht«, sagte Price.
    »Sehr überzeugt klingen Sie aber nicht.«
    »Verdammt, Robert, wie sollte ich auch überzeugt sein? Ich studiere den Sternenantrieb schon seit über dreißig Jahren und habe immer noch keine Ahnung, wie das verdammte Ding überhaupt funktioniert!«
    »Werden wir es bis zur Grelsho-Sonne schaffen?«
    »Sicher. Es wäre aber ratsam, für ein paar Stunden zu stoppen und das System zu überprüfen. Wenn wir die Phasenschleifensperre ganz verlieren, fallen wir aus dem Hyperraum, bevor wir die Energie im Feld ableiten können. Und die Vorstellung, was dann geschehen würde, gefällt mir ganz und gar nicht.«
    Braedon wandte sich an Reickert: »Stimmen Sie ihm zu?«
    »Ja, Sir. Meine Leute können im laufenden Betrieb keine Fehlersuche in der Anlage durchführen. Geben Sie uns ein paar Stunden, um alles zu überprüfen und dann werden wir im Stande sein, das Problem zuverlässig zu diagnostizieren.«
    Braedon nickte. »Dadurch werden wir uns zwar nicht zum vereinbarten Zeitpunkt mit der Golden Hind treffen können, aber wenn wir eine Panne haben, dann lieber nicht in Sichtweite der Grelshos. PROM!«
    »Ja, Robert.«
    »Bereitmachen für Notausbruch. Schilde raus und die Besatzung alarmieren.«
    Sofort ertönte PROMs Stimme im ganzen Sternenschiff: »An alle! Bereitmachen für Notausbruch in zehn Sekunden. Bereitmachen für Notausbruch.
    Fünf, vier, drei, zwei, eins, Ausbruch …«
    Ein gleißender Blitz und ein ohrenbetäubendes Brüllen drangen aus der Generatorenabteilung hinter Braedon. Die Panzerglaswand im Büro des Chefingenieurs beulte sich nach innen aus, verharrte für einen Moment in dieser Stellung und zersprang dann in eine Million winziger Glaskügelchen. Im selben Moment wurde Braedon in die Luft gehoben, als das Gravitationsfeld sich umpolte, doch schon im nächsten Moment war es wieder umgepolt, und er schlug auf dem Deck auf.

51
     
    Die ersten Sekunden nach der Explosion dehnten sich schier endlos für Robert Braedon. Eine Hitzewelle schlug über ihm zusammen, und ein stechender Schmerz, der ihm noch dazu den Atem raubte, schoss ihm durch die rechte Schulter. Er versuchte sich nach dem Aufprall abzurollen und prallte mit dem Steißbein gegen etwas Hartes und Spitzes. Sein panisches Wimmern ging im Lärm der Sirenen und dem lauten Zischen der Sprinkleranlage unter. Mit verschränkten Armen schützte er die Augen vor umherfliegenden Glassplittern und lag reglos da, als Wellen von Übelkeit ihn in die Bewusstlosigkeit zu schicken drohten. Irgendjemand in der Antriebsabteilung unter ihm schrie.
    Als der Sturm in seinem Schädel abflaute, schlug Braedon die Augen auf. Er stellte fest, dass er mit dem Gesicht nach oben lag und sein Körper in einem bizarren Winkel zwischen Reickerts Schreibtisch und einer Wand eingeklemmt war. Die Luft in der Abteilung war mit Qualm und dem beißenden Gestank verschmorter Isolierungen geschwängert. Die Notbeleuchtung hatte sich eingeschaltet, doch mit dem Licht, das sie spendete, stimmte etwas nicht. Anstatt grau und trübe zu sein, funkelten die schmalen Lichtstrahlen gleißend.
    Braedon starrte sie für eine Weile verständnislos an, bis er sich an einen Vorfall von vor sechs