Lebenssonden: Roman (German Edition)
wenn sein Schiff nur nicht diese brisante Ladung mitgeführt hätte.
Diese geschmuggelte Singularität war der Grund, weshalb er sich nun unter Einsatz der Ellbogen einen Weg durch die feiernde Menge bahnte. Im kleinen Café, das sein Ziel war, würde er die Übergabe der Ladung arrangieren. Der Ort war der Mittelpunkt eines kleinen Parks mit Weiden und einer akkurat gestutzten Grasnarbe. Über die Feiertage hatte die Zivilregierung das strenge Verbot des Betretens von Grünflächen aufgehoben, und im Park wimmelte es von Pärchen, die Arm in Arm umherschlenderten oder intimeren zwischenmenschlichen Kontakten frönten.
Bailey setzte sich an einen leeren Tisch und orderte einen Wodka Collins. Dann lehnte er sich zurück und ließ die schier endlose Weite der Station auf sich wirken. Wie die Handelskammer von Galileo immer so gern betonte, war die »Kaffeekanne«, in der er sich befand, das größte je von Menschen gebaute Objekt. Mit einem Durchmesser von zwei und einer Länge von fünf Kilometern hatte der Zylinder neun Ebenen mit Büros, Lagerhäusern und Service-Bereichen unter dem innersten Deck, wo er nun saß. Das Haupthabitat diente als Stadt und Farmland für eine Bevölkerung einer von mehreren Außenstationen, die auf ähnlichen Orbits um den führenden Punkt L4 liefen. Diese Stationen umfassten das Himmelsbeobachtungs-Direktorat der Vereinten Nationen und drei Millionen-Megawatt-Kraftwerke. Eine vierte Station wurde ein paar hundert Kilometer vor dem Habitat im Orbit errichtet, und die Bauarbeiter nutzten die zylindrische »Stadt im Himmel« für die drei Standard-Vergnügungen: Whiskey, Weiber und Randale.
Die Lügenbaron lag in einem der fliegenden Trockendocks, die um das Beta-Kraftwerk gruppiert waren. Die Überholung des Schiffs sollte beginnen, wenn die Leute den Karnevals-Kater auskuriert hatten.
»Don Bailey – lange nicht mehr gesehen!«
Er schaute vom Getränk auf und erblickte einen Mann, der mit einem Lächeln auf den Lippen und einem verschmitzten Ausdruck vor ihm stand. Das Gesicht war das eines völlig Fremden.
»Hallo«, sagte Bailey. »Ich weiß, dass ich mich an Ihren Namen erinnern sollte …«
»Das macht nichts, Mr. Bailey. Ich war erst zwölf, als wir uns zuletzt begegneten. Ich bin Angai Yahaya.«
»Natürlich, Angai! Setzen Sie sich doch und lassen Sie uns das Feuerwerk beobachten.«
Yahaya zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzte sich. Er schaute aber nicht nach oben, sondern neigte sich dicht zu Bailey hinüber und wisperte: »Haben Sie es bekommen?«
Bailey nickte unmerklich, indem er vortäuschte, an seinem Getränk zu nippen.
»Gut. Gab es irgendwelche Probleme?«
»Nicht mit den Behörden. Es war aber eine Zitterpartie, das Schiff vom Mond hierher zu fliegen. Ich bin froh, wenn ich wieder im Vollbesitz des Gleichgewichtssinns bin.«
»Wenn Sie keine Probleme mit den Behörden hatten, wieso haben Sie auf Luna einen Zwischenstopp eingelegt? Wieso ist Ihre Partnerin noch immer Gast von Peace Enforcement in der Tycho-Basis?« Bei dieser Befragung hatte Yahaya die Lippen zu einem unechten Lächeln verzogen und musterte Bailey mit argwöhnischem Blick.
Bailey nahm langsam einen Schluck aus seinem Glas und schaute Yahaya dann so lange in die Augen, bis der andere schließlich den Blick abwandte. Erst dann erstattete er ihm knapp Bericht über die Vorladungen, die er und Brea kurz vor der Abreise zur Erde erhalten hatten.
»Das ist immerhin eine fantasievolle Geschichte.«
Bailey zuckte die Achseln. »Es ist die Wahrheit.«
»Ich muss Sie warnen, Mr. Bailey. Wenn Sie uns verraten haben, werden Sie nicht lange genug leben, um Ihr Blutgeld auszugeben. Wir haben Agenten, um unsere Abmachungen durchzusetzen.«
»Gibt’s sonst noch was?«
»Solange Sie begreifen, dass wir unsere Versprechen auch halten …«
»Drohung erhalten und verstanden. Können wir jetzt weitermachen?«
Yahaya nickte. »Auf jeden Fall. Wie ist Ihr Zugangscode, Mr. Bailey?«
»Äh, hatten wir nicht Vorkasse vereinbart?«
»Natürlich.« Yahaya griff in sein Gewand und zog eine kleine Plastikkarte heraus. Er reichte sie Bailey, der sie in sein neues Handy einschob. Nachdem Bailey ein Dutzend Ziffern über die Telefontastatur eingegeben hatte, lief eine Zahlenreihe über das kleine Display. Er verfolgte den Eingang der Nachricht aufmerksam.
»Zufrieden?«, fragte Yahaya.
»Sehr«, antwortete Bailey, schaltete das Handy aus und steckte die Karte in eine Innentasche.
»Also, wie lautet
Weitere Kostenlose Bücher