Lebenssonden: Roman (German Edition)
Museumsbesuch hoffte sie sehnlich, dass die Beobachtung, die sie gemacht hatte, nicht mehr war als ein sich »räuspernder« Stern. Aber der Astronom in ihr glaubte es selbst nicht. Die plausibelste Erklärung war die, dass jemand eine Waffe getestet hatte, deren Zweck darin bestand, Städte wie in der Ausstellung gezeigt zu zerstören.
Zum ersten Mal verspürte Brea ein Verständnis für die Motivation der Männer und Frauen in Schwarz und Silber. Sie haderte noch immer mit der Situation, als Stassel Lisa zurück zum Tisch brachte. Sie lachten.
»Hast du mich tanzen sehen, Brea?«
»Ja, Liebes.«
»Du solltest es auch mal versuchen. Es ist wundervoll! Eric hat versprochen, mir noch ein paar Schritte zu zeigen.«
»Wenn man tanzen lernen will, ist man hier genau richtig«, erwiderte Stassel. »Bei einem sechstel g macht jeder eine gute Figur, selbst ich mit meinen zwei linken Füßen.«
»Vielleicht möchte der Major mit mir tanzen«, sagte Brea.
Stassel stand auf, warf sich in die Pose eines Galans und verneigte sich. »Mit dem größten Vergnügen.«
Sie ließ sich von ihm mitten auf die Tanzfläche führen und in den Arm nehmen. Dann schmiegte sie sich an ihn und wiegte sich im Rhythmus der Musik. Es war schon Jahre her, aber sie hatte es noch nicht verlernt. Stassel führte sie schweigend bei einer langsamen, raumgreifenden Pirouette eines Niedergrav-Walzers. Schließlich öffnete Brea die Augen und schaute direkt in seine.
»Sie haben das alles geplant, nicht wahr?«
»Was geplant?«
»Sie hatten es so gedeichselt, dass ich mir diese scheußliche Ausstellung im Museum anschaue?«
Er zögerte einen Tick zu lang und nickte dann. »Schuldig im Sinn der Anklage. Wir haben Ihr Dossier einschließlich Ihres Psychogramms. Einer meiner Adjutanten hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass Sie es zutiefst bereuen, vor dem Tod Ihres Mannes kein Kind empfangen zu haben. Also haben Sie eine Schwachstelle, was Babys betrifft. Ich hatte daher veranlasst, die ›Fehlschuss-Krieg‹-Ausstellung … zu ›verstärken‹, um es einmal so auszudrücken.«
»Dann war das Ganze also nur Propaganda?«
Er nickte. »In gewisser Weise. Aber wir haben diese Szenen nicht erfunden. Das mussten wir auch gar nicht. Das Direktorat hat Tausende ähnlicher Fotografien gespeichert. Zur ewigen Schande unserer Art.«
»Und wenn ich mich immer noch weigere, Ihnen zu helfen?«
»Ich hoffe, Sie weigern sich nicht.«
Brea zögerte; sie hatte noch immer Bedenken, weil sie die Konsequenzen kannte, wenn sie ihr Geheimnis verriet. Zum Teufel mit Bailey, dass er sie in diese Bredouille gebracht hatte! Zum Teufel mit ihr, dass sie sich überhaupt von ihm hatte einwickeln lassen! Sie atmete tief durch und hörte auf zu tanzen. Stassel blieb auch stehen. Zehn lange Sekunden sagte sie nichts. »Ich will es nicht tun«, sagte sie, während ihr die Tränen in die Augen traten.
»Sie haben die Wahl.«
»Sie wissen verdammt genau, dass ich die Wahlfreiheit in dem Moment verloren habe, als Sie mich in diese Ausstellung lockten!«
Er seufzte, zog sie an sich und tröstete sie, wie man ein trauriges Kind tröstet.
»Ja, ich weiß«, sagte er schließlich ganz leise.
9
Brea Gallagher regte sich, schlug in der Dunkelheit die Augen auf und fuhr im Bett hoch. Dabei schaltete sich automatisch die Deckenbeleuchtung ein. Unwillkürlich blinzelte sie, zerdrückte dabei einige Tränen und ließ den Blick schweifen. Sie lag in einem von glänzenden Maschinen flankierten schmalen Bett in einem Zimmer, das vollständig in weichen grünen Pastelltönen gehalten war. Im ersten Moment war sie desorientiert.
Es war das Medizinische Zentrum der Tycho-Basis. Sie hatte in einem kleinen Labor auf einem Stuhl gesessen, der sich kaum von der Beschleunigungsliege in der Lügenbaron unterschied. Der Stuhl war sehr bequem gewesen, und wären da nicht die hellen Lichter gewesen, die ihr in die Augen geleuchtet hätten, hätte sie gleich einschlafen können. Und sie war tatsächlich eingeschlafen, eingelullt von der monotonen Stimme eines kahlköpfigen kleinen Mannes, der ihr eine Injektion gegeben hatte.
Danach erinnerte sie sich an nichts mehr.
Sie merkte, dass sie sich unterbewusst eine leichte Bettdecke vor die Brust gezogen hatte. Beim Blick unter die Decke sah sie, dass man sie bis auf die Unterwäsche ausgezogen hatte. Der Overall hing ordentlich in einem Wandschrank neben dem Bett, die Schiffs-Stiefel standen daneben. Der Hüftbeutel lag zusammen mit ihren
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