Lebenssonden: Roman (German Edition)
des Shuttles. Brea Gallagher saß neben ihm und schaute aus dem Fenster auf das dunkelrote Glühen an der Vorderkante der Shuttle-Flügel. Die Nacht hatte gerade das Raumfahrzeug umhüllt. Der pazifische Ozean unter ihnen war ein schwarzes Tuch, das von einem fahlen Mond illuminiert wurde.
Brea wandte sich vom Fenster ab und zeigte ein von pechschwarzem Haar eingerahmtes blasses Gesicht. »Ich frage mich, wie lange das noch dauert.«
Stassel zuckte die Achseln. »Hoffentlich nicht mehr allzu lange.« Er versuchte, optimistischer zu klingen, als er sich fühlte. Zu seiner Überraschung arbeitete Brea sehr engagiert am Projekt Jungadler mit. Sie hatte ihre Studien nicht aufgeben wollen und sich strikt geweigert, bis Admiral Liu ihr drohte, sie zu verhaften und in Ketten zur Erde zu schicken. Die Landung auf Sandia erfolgte planmäßig. Zwei Minuten vor der Landung startete der Pilot die beiden Not-Turbojets und setzte das Schiff dann auf der Landebahn auf, ohne sie benutzen zu müssen. Nach weiteren zehn Minuten zog ein Schlepper sie zum Verladepunkt. Als die Leuchtschrift SICHERHEITSGURTE SCHLIESSEN erloschen war, schlossen sie sich den geordnet von Bord gehenden Passagieren an. Sie wechselten aus dem Shuttle in eine stetige Brise, die ziemlich steif war für eine Sommernacht im August. Stassel wollte gerade den Gitterrost der offenen Verladeplattform überqueren, um zum Terminal von Sandia zu gelangen, als die stille New-Mexico-Nacht plötzlich zum Tag wurde.
Zehn Kilometer entfernt schoss eine Flamme aus der Basis von einer der zwölf riesigen Staustrahl-Booster, die auf den Start warteten. Brea blieb mit den anderen Passagieren stehen, um den Start zu beobachten. Der Booster und sein Huckepack-Shuttle erhoben sich schwerfällig in den Himmel, und dann schlug eine tosende Lärmwelle über ihnen zusammen und übertönte sogar die lautesten Schreie. Sie sahen den Booster zu einem Lichtpunkt am östlichen Himmel hoch über sich schrumpfen, bis eine kleine Explosion die Zündung der ersten Stufe markierte.
Stassel sah vor seinem geistigen Auge, wie der riesige bemannte Booster wegfiel und wie die Besatzung ihn in einen flachen Sinkflug zwang, der ihn rechtzeitig zum Start am nächsten Tag nach Sandia zurückbringen würde. Die geflügelte Rakete, die die obere Stufe bildete, würde im Orbit bleiben und sich dort mit den echten Raumschiffen treffen – Schiffe, die für immer von der Oberfläche jedes Planeten verbannt waren, wo ein Ausfall der Energieversorgung ihre gefangene Singularität freizusetzen vermochte. Die hypothetischen Folgen der Kollision einer energetisierten Singularität mit der Erde waren im Lauf der Jahre Thema etlicher Horror-Geschichten gewesen.
Im Terminal ging Stassel mit seiner UN-Legitimation durch den Zoll, und nach fünfzehn Minuten wurden er und Brea mit einer U-Bahn zum Nebenflugplatz des Raumhafens befördert. Nach einer Wartezeit von zwei Stunden, die sie sinnvoll nutzten und eine irdische Garderobe für Brea einkauften, waren sie dann im kommerziellen Hyperliner auf dem Weg nach New York.
Sie erreichten den JFK-Regionalflughafen, als die Sonne gerade über den Horizont lugte.
Stassel zeigte seinen Marschbefehl dem Marine vor, der in einem bunkerartigen Gebäude saß – das »Pförtnerhäuschen« des Hauptquartiers der Vereinten Nationen. Der Posten nahm den Marschbefehl und schob ihn in ein automatisiertes Lesegerät, dann ließ er Stassel und Brea ins Zwillings-Okular eines schwarzen Kastens schauen, der an der Wand des Wachgebäudes befestigt war. Die Wache hielt den Blick auf den Ausgabebildschirm gerichtet, bis der Computer die Personalien überprüft hatte.
»Genf sagt, dass Sie die Leute sind, für die Sie sich ausgeben, Major. Sie können Ihr Gepäck gern hier deponieren, und ich lasse es Ihnen dann ins Hotel nachschicken. Es hat keinen Sinn, es nach unten zu den Schnüfflern zu bringen, wenn Sie es hier ohnehin nicht brauchen.«
»Schicken Sie das Gepäck bitte zum Hotel, Sergeant.«
»Jawohl, Sir.« Er drehte sich zu einer halb geöffneten Tür hinter sich um und brüllte: »Carson!«
Ein Soldat kam aus dem Hinterzimmer des Wachgebäudes herein. »Ja, Sarge?«
»Bringen Sie diesen Offizier und die Dame zu Oberst Ames, Zimmer Zwölf-vierzehn.«
»In Ordnung, Sarge. Folgen Sie mir bitte.«
Stassel legte Brea einen Arm um die Taille, als sie durch das Sicherheitstor gingen. Es war eine lange Nacht gewesen, und sie hatten den größten Teil davon mit Reden
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