Lebenssonden: Roman (German Edition)
steht also über der Politik.«
Ames lächelte. »Die PR-Fritzen haben diesen Slogan vor ungefähr zwanzig Jahren geprägt, und nun klebt er an ihnen wie eine Klette. Nein, der Rat steht keineswegs über der Politik. Aber er genießt eine Unabhängigkeit, die manche Mitgliedsstaaten ärgert. Zum einen müssen wir nicht jede Datei zur Einsichtnahme öffnen, wenn ein Botschafter es verlangt. Der Rat kann ein Geheimnis bewahren, wenn er es für richtig hält.«
Ames verstummte und schaute sie beide an. »Und beim Schutzheiligen der Astronauten und Huren, ihr habt uns ein brandheißes Geheimnis zum Hüten gegeben! Jede Delegation in diesem Gebäude versucht herauszufinden, was bei uns los ist. Ein paar haben auch schon angedeutet, dass, wenn wir ihnen nichts verraten – exklusiv natürlich -, sie die ganze Angelegenheit vor die Vollversammlung bringen und uns zwingen werden, auszupacken.
Und die Räte – Sicherheit und Treuhand – sind sich uneins, ob man eine solche Auseinandersetzung überhaupt riskieren sollte. Also hat der Exekutivausschuss geheime Anhörungen anberaumt, um eine Empfehlung auszusprechen. Sie beide sollen zu den Ereignissen aussagen, die zur Entdeckung des Aliens führten. Direktor Gresham hat schon gestern Morgen in dieser Angelegenheit ausgesagt.«
»Direktor Gresham?«, fragte Brea.
»Sir Harry Gresham von Skywatch . Er war der Co-Entdecker; das hat man mir jedenfalls gesagt.« Ames drehte sich zu Stassel um. »Was ist denn los, Major? Sie machen ein Gesicht, als ob Sie in einen sauren Apfel gebissen hätten.«
»Es ist nichts, Sir.«
Ames’ freundliches Lächeln schwächte sich um eine Nuance ab, und seine Stimme bekam einen metallischen Klang. »Wenn Sie etwas wissen, Major, dann spucken Sie es aus!«
»Jawohl, Sir. Admiral Liu hat doch wohl berichtet, wie er an die Originalunterlagen der Skywatch -Sichtung gelangt ist.«
Ames nickte. »Ich glaube mich zu erinnern, davon gehört zu haben.«
»Wenn Harry Gresham nicht drei Monate lang darauf gehockt hätte, dann hätten wir unseren Besucher verdammt noch mal vielleicht schon viel früher entdeckt.«
»Wo Sie es nun sagen, Liu war etwas überschwänglich bei seinen Anmerkungen.«
Stassel unterdrückte ein Lächeln. »Was hat Gresham bei der Anhörung denn gesagt?«
»Er sprach sich dafür aus, sofort an die Öffentlichkeit zu gehen.«
»Hat die Möglichkeit eines massiven Kulturschocks und wirtschaftlicher Verwerfungen ihn sehr beunruhigt?«
»Nicht, dass ich wüsste«, erwiderte Ames. Er warf einen Blick auf das Chronometer gegenüber dem Schreibtisch. Die roten Ziffern hatten gerade auf 09:28 gewechselt. »Leider habe ich die ganze Zeit mit meinem Vortrag ausgefüllt. In zwei Minuten stehen Sie vor dem Exekutivausschuss. Noch Fragen?«
Stassel sah Brea an, doch die zuckte nur die Achseln. »Eigentlich nicht, Sir«, sagte er. »Aber vielleicht könnten Sie mir zeigen …«
Ames’ schallendes Gelächter erfüllte das Büro. »Die Nerven, Major?«
»Vielleicht, Sir.«
»Durch den Saal, dann die erste Tür links.«
14
Der Anhörungsraum des Exekutivausschusses war ein Kompromiss zwischen Auditorium und Gerichtssaal. Die Ausschussmitglieder saßen auf einer Bühne hinter einem langen Tisch; er war mit den technischen Gerätschaften bestückt, die in jedem parlamentarischen Anhörungsraum zu finden waren. Vor der Bühne standen zwei Tische für die Zeugen; hinter ihnen waren kirchenbankartige Sitze für vielleicht fünfzig Personen. Außer den sechs Ausschussmitgliedern, Oberst Ames, Brea Gallagher und Eric Stassel war der Raum leer. Zwei bewaffnete Wächter flankierten die schalldichten Eingangstüren.
»Oberst Ames, wären Sie bitte so freundlich, die Formalitäten zu erledigen?«
Die Sprecherin war eine zerbrechliche, weißhaarige Frau, die wie sechzig aussah, ihrer Biografie zufolge aber schon fünfundsiebzig war. Ihre Exzellenz, Hochwürdige Agusta Louise Meriweather war eine ehemalige Richterin am Weltgerichtshof. Ihr wurde ein unbeugsamer, zuweilen auch unbequemer Gerechtigkeitssinn bescheinigt.
»Frau Vorsitzende, darf ich Ihnen Major Eric Stassel aus meinem eigenen Dienst vorstellen, derzeit eingesetzt als Stellvertretender Leiter des Projekts Jungadler . Neben ihm befindet sich Mrs. Breon Gallagher, die Dame, die für die bemerkenswerten Bilder verantwortlich zeichnet, die wir gestern gesehen haben.«
»Ich danke Ihnen beiden für Ihr Kommen«, sagte Mrs. Meriweather. »Dem Vernehmen nach hat Oberst Ames Sie
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