Lebensstrahlen
ein überraschendes Wachstum.
»Haben Sie hier auch mit einer Strahlröhre gearbeitet?« fragte Braun, und wieder mußte er auf Antwort warten. Abwechselnd ging der Blick Eisenlohrs zwischen diesem Fleck und einem Fenster hin und her, das sich etwa fünf Meter höher in der Burgmauer befand. Ein Vorfall, an den er längst nicht mehr gedacht hatte, kam ihm wieder in die Erinnerung. Ein halbes Jahr mochte das jetzt etwa her sein. Bei den ersten Arbeiten mit einer neuen, stärkeren Röhre bildete sich damals auf den Bleiblenden immer wieder ein Belag von gelblichem Metallstaub. Eisenlohr hatte den Staub analysiert und als ein ziemlich stark strahlendes instabiles Goldisotop festgestellt. Kurzerhand hatte er ihn danach als einen unnützen Abfallstoff zu dem Fenster dort oben hinausgeschüttet. Damals lag tiefer Schnee. Mit dem schmelzenden Schnee mußte jener Metallstaub in den Boden versickert sein und dort noch geraume Zeit weitergestrahlt haben … Nur diese Strahlung konnte aber die Veränderung des Pflanzenwachstums hier verursacht haben.
Die erneute Frage Brauns nötigte ihn, eine passende Antwort zu ersinnen. Er hielt es nicht für zweckmäßig, dem Professor den wirklichen Sachverhalt mitzuteilen.
»Ihre Vermutung ist zutreffend«, erwiderte er. »Bevor ich mit der Röhre an den Teich ging, hat sie kurze Zeit hier gearbeitet.«
»Sehr interessant, Herr Kollege«, murmelte Braun vor sich hin und bückte sich, um einige Blätter und Fruchtkolben des Wegerichs zu pflücken.
»Das hier kommt mir ins Herbarium, und von Ihrem Teich da unten werde ich mir auch noch einiges holen. Das sind so überzeugende Beweisstücke, die ich mir nicht entgehen lassen möchte«, meinte Braun.
Mitternacht war vorüber, als sie den Burghof wieder betraten.
Eisenlohr fand noch keine Ruhe. Allzusehr beschäftigten ihn die Dinge, die er bei diesem Nachtspaziergang entdeckt hatte.
Irgendein Bewohner der Burg – er hatte in erster Linie Dr.
Bruck im Verdacht – jagte dem Truggold weiter nach und störte dabei seine, Eisenlohrs, Arbeiten auf unangenehme Art.
Aber war es denn wirklich nur Truggold – jener golden schimmernde Staub, den er bisher achtlos beiseite geworfen hatte? Noch vor einer Stunde hätte er diese Frage unbedingt bejaht. Jetzt aber, nach der letzten Entdeckung unter dem Burgfenster, mußte er sein Urteil ändern. Der Staub strahlte … das war ihm seit geraumer Zeit bekannt. Aber er hatte sich bisher nicht die Mühe genommen, die Art und Frequenz der Strahlung näher zu untersuchen.
Aber jetzt sah das Problem ganz anders aus, und gewaltige Zukunftsmöglichkeiten eröffneten sich seinem Geiste, während er es noch einmal durchdachte. Mit einfachen Mitteln und geringen Kosten ließ sich dieser strahlende Staub in großen Mengen herstellen. Wie mußte er wirken, wenn man ihn etwa wie einen Kunstdünger über die Ackerfelder streute? Über den Schnee vielleicht, wie es hier einmal zufällig geschehen war?
Wie konnte sich das vielleicht auf den Ertrag der Saaten auswirken? Die Ernte vervielfältigen …
Mit heißem Kopf griff er nach Bleistift und Papier und begann Rentabilitätsberechnungen aufzustellen. Immer klarer wurde es ihm dabei, daß dieser neue Weg auch wirtschaftlich gangbar sein müßte.
Am Osthorizont leuchtete bereits ein heller Streif, als auch er endlich zur Ruhe kam.
*
Dr. Harper war an sonderbare Wünsche seiner reichen und spleenigen Patienten gewöhnt. Aber daß man ihn mitten in der Nacht aus dem Schlaf klingelte, um ein paar Goldplomben herauszunehmen, das passierte ihm doch zum erstenmal. James Kelly war es, der das von ihm verlangte.
Der Doktor wurde jedoch nachdenklich, als er seinen Patienten untersuchte.
Sollte ihm zum ersten Male in seiner langen Praxis doch ein Kunstfehler unterlaufen sein? Die Bohrmaschine begann zu arbeiten, und bald waren Kellys Zahnhöhlen wieder frei von jeder Spur jenes Goldes, das Dr. Harper kürzlich mit so viel Kunst in sie hineingesetzt hatte. Einen leichten, lindernden Kitt brachte der Arzt dafür hinein, gab dem Patienten noch ein paar Kokainspritzen in das Zahnfleisch und entließ ihn mit den besten Wünschen für eine ruhige Nacht.
James Kelly stieg in seinen Wagen und fuhr ins Hotel zurück. Die Betäubungsmittel Dr. Harpers hatten seine Schmerzen zwar fast verschwinden lassen, aber seine Stimmung war immer noch alles andere als sanftmütig, als er zu Spranger, der noch auf war und ihn erwartete, ins Zimmer trat.
Unwirsch wies er die teilnehmenden
Weitere Kostenlose Bücher