Leberkäsweckle
Kötzle zu dieser Stunde erleben musste, nun wirklich nichts zu tun. Die Party war in vollem Gange. Hunderte von Jugendlichen hatten sich auf seinem Gütle breitgemacht, die Ghettoblaster tobten über den Georgenberg. Hie und da roch es ein wenig süßlich, und die Spirituosen flossen in Strömen.
Frieder hatte sich auf die kleine Terrasse an seiner Hütte zurückgezogen und betrachtete das Chaos. Bei diesem Lärm konnte es nicht ausbleiben, dass die Staatsmacht mal bald wieder den Hang heraufkommen würde.
Hinter den letzten Jugendlichen kämpfte sich ein einzelner älterer Mann den Hang hinauf. Frieder schaute genau hin. Es war Alfred, der jetzt mit letzter Kraft die Wiese erklomm. Er keuchte hörbar. Frieder holte ihm schnell ein kühles Bier. Alfred setzte sich auf die Terrasse und schaute Frieder betroffen an.
»Was isch denn hier los?«, fragte er zwischen zwei Schlucken.
»Och, ich hatte doch den Moritz gebeten, da was im Internet zu machen«, antwortete Frieder vage.
»Ond?«, fragte Alfred weiter.
»Siehst du doch. Das ist das Ergebnis!«
Frieder zeigte auf die Menschenmenge, und Alfred schüttelte nur den Kopf. Er hatte genug von diesem Tag. Die Gerda hatte ihn abgewiesen, und seine Frau war anscheinend auch längst gegangen – wie Frieder berichtete, in alles anderer als bester Stimmung.
»Lag vielleicht auch daran, dass du die Gerda nach Hause gebracht hast«, schloss er.
»Dann gang i heut wohl besser et hoim«, sagte Alfred kleinlaut.
»Hab die Liegen noch oben. Ich denke, wir können das Jungvolk auch nicht alleine lassen. Die zerlegen mir womöglich noch die Hütte!«, sagte Frieder.
»Wahrscheinlich kommt sowieso bald d’ Polezei«, meinte Alfred und nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche. »Des goht ja schließlich dia a.«
Die Polizei hatte zurzeit ganz andere Probleme. Schirmer mit Luise Bremer und Knöpfle mit der Situation in der Christuskirche. Er hatte seine Waffe entsichert und den Schlüssel, der merkwürdigerweise im Schloss steckte, herumgedreht. Wie er allerdings in der stockdunklen Kirche die Kirchenräuber fassen sollte, war ihm schleierhaft.
Vorsichtig tastete er sich vorwärts und versuchte, im Innern irgendetwas auszumachen. Aber das wenige Mondlicht schien nur schwach durch die hohen Fenster, und erst als seine Augen sich ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er sich überhaupt orientieren. Er ging im Mittelgang vor bis zum Altar, ohne dass er dabei irgendetwas gesehen oder gehört hätte. Die Diebe mussten sich in der Sakristei oder einem der Nebenräume versteckt haben.
Sollte er tatsächlich den Klassiker bringen?, fragte sich Knöpfle. Also gut. Er stellte sich vor den Altar mit Blick in die Kirche, richtete seine Waffe geradeaus und war ganz Konzentration.
»Hier spricht die Polizei! Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus!«, rief er laut und deutlich.
In diesem Moment fiel etwas Gläsernes, vermutlich eine Flasche, um. Knöpfle hörte das Geräusch, sein Gehirn schaltete schnell, seine Hände richteten die Waffe in die Richtung des Geräuschs, und der Finger am Abzug tat, wie ihm vom Gehirn geheißen. Ein Schuss gellte durch die Christuskirche, und der folgende weibliche Aufschrei brachte Knöpfle doch einigermaßen aus dem Konzept. Denn der Schrei war von hinter dem Altar gekommen.
»Hilfe, nicht schießen!«, rief nun eine männliche Stimme.
Knöpfle drehte sich um und registrierte eine Frau und einen Mann. Bewaffnet Fragezeichen.
Da war was los in einer seiner Kirchen, dachte Gott. Wenn nur beim sonntäglichen Gottesdienst auch immer so viel Trubel wäre. Aber diese Vorgänge in der Christuskirche hatten schon was. So eine Aneinanderreihung von unmöglichen Situationen hätte er dem Schriftsteller gar nicht zugetraut. Aber es lief prima. Schön die Szene ausgeschrieben bis hin zum von Kommissar Knöpfle erwähnten Klassiker. Das sah er immer wieder gerne. Szenen mit »Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus« oder »Werfen Sie die Waffe weg«. All die klassischen Sprüche, die man aus alten Western kannte. Das gefiel Gott, das war noch eine einfache Welt gewesen. Hart und blutig, sicherlich, aber auch ehrlich und überschaubar. Heute kam er ja bald nicht mehr nach, die Entwicklungen dort unten zu verfolgen. Nur in Pfenningen, da lief alles hübsch übersichtlich.
Das fand Kommissar Schirmer in diesem Moment nun gar nicht. Kaum hatte er Luise Bremer mangels Zelle mit dem Hinweis in die Freiheit entlassen, die Stadt nicht zu
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