Leberkäsweckle
Kötzle die Frage nicht. Eher wie das Ganze enden sollte. Mussten diese jungen Leute nicht auch mal ins Bett und sich ausschlafen, um morgen in der Schule oder der Lehre die volle Leistung zu bringen?, fragte er sich. Alfred konnte er das nicht mehr fragen, denn der hatte, verantwortungslos, seinen Posten verlassen und sich hingelegt. Frieder wollte sich noch eine Flasche Bier gönnen, dann wäre es auch ihm genug, und er würde sich hinlegen. Sollten diese jungen Hangmenschen machen, was sie wollten. Er verstand das eh nicht.
Sie waren früher auch auf der Straße zusammengestanden, hatten geraucht und ein paar Biere getrunken. Aber dieses Röhrchensaufen aus Eimern, das hatte er bisher nur im Fernsehen in einem Bericht über Mallorca gesehen. Die kippten da Zeug rein, das würde er nicht einmal separat trinken, geschweige denn zusammengemixt und aus Röhrchen.
Als er den Hang hinunterschaute, sah er ein Fahrzeug, das sich selbigen mühsam hinaufquälte. Das konnte nur der Schirmer sein, dachte er, so eine Kiste fuhr nur der. Einen R4, orange, Baujahr 1974.
Schirmer parkte den Renault am Zaun, stieg aus, schlug sich den Kopf am Rahmen der Tür an und spürte wieder Schmerzen im Arm. Das war nicht sein Tag, noch nie gewesen.
Ähnlich schätzte auch sein Kollege Knöpfle die Sachlage ein. Er saß im Büro. Die Krankenschwester und der Kriminalassistent waren gegangen. Miteinander oder nicht miteinander, das war ihm jetzt auch egal, aber er hätte wetten können, wenn er das alles morgen früh seiner Frau erzählte, dann würde die erste Frage sein, ob die beiden miteinander gegangen waren. Ihn interessierten jetzt allerdings andere Dinge. Wo war Schirmer? Und wo war Frau Bremer?
Die hatte Hans Bremer mittlerweile im Sessel vor sich sitzen. Gut. Sie schien nicht abgeneigt, noch mal einen Versuch zu wagen. Wäre schön, wenn er sich den Kartoffelsalatgenuss erhalten könnte, dachte er. Aber beachtlich, wie diese Frau diesen Tag mit der Erschießung und dem Blut weggesteckt hatte. Wenn er ehrlich war, hatte er sich nach ihrer Verhaftung als Erstes einen guten Schluck Schnaps eingeschenkt und dann die Kleine aus der Registratur angerufen. Spät zwar, aber Chef war eben Chef. Er würde da nichts anbrennen lassen, das Leben war zu kurz.
»Du meinst, wir sollten es probieren?«, fragte Luise zaghaft.
»Wir sind doch beieinander und haben das überstanden, dann überstehen wir auch anderes«, sagte Bremer. »Du wirst wohl vor Gericht kommen, aber keine Angst, mit einem guten Verteidiger kriegen wir dich wieder frei.«
»Und keine Seitensprünge mehr?«, fragte sie, und er wusste um diesen Unterton, der ganz schnelle Entscheidungen nach sich ziehen konnte.
»Keinesfalls«, sagte er hastig, vielleicht etwas zu hastig, denn schon traf ihn ihr Blick.
»Echt?«, fragte sie.
»Ehrlich«, sagte er.
»Dann geh ich jetzt ins Bett«, sagte sie, umarmte ihn.
Es ist der Mund, der redet, und der Kopf, der denkt, und irgendwo weiter unten, da spielt sich das Leben ab, dachte Hans Bremer und ging hinter ihr die Treppe hinauf.
Leben, das war sein Thema. Wie nun?, fragte sich Franz Werth. Sollte er oder sollte er nicht? So schön vorbereitet war alles, Briefe, Notar und so weiter. Alles war unterschrieben und abgeschlossen. Er hinterließ ein geordnetes Leben, und die Kinder würden ohne Schwierigkeiten alles abwickeln können. Die Beerdigung hatte er minutiös geplant, die Todesanzeige formuliert und auch die Lieder bestimmt. Da würden sie sich wundern. Mal sehen, ob sie das machen würden. Ach so, sehen würde er das ja nicht mehr können. Vielleicht sollte er jemand Vertrauenswürdigen beauftragen, sich verantwortungsvoll darum zu kümmern. Er war schon immer ein Fan von Ludwig Hirsch gewesen, daher sollte bei seiner Beerdigung das Lied von Hirsch »Komm großer schwarzer Vogel« gespielt werden. Der Liedermacher war gegangen, als ob der große schwarze Vogel ihn geholt hätte; so war er aus dem Fenster einer Klinik gesprungen. Adieu, Ludwig, ich bin noch hier, aber ich komme bald.
Warum solche Gedanken? Was so ein Glas guten Weines doch bewirken konnte. Diese Metzinger Hofsteige mundete prächtig. Das gab Ruhe, befreite die Seele, brachte Freude sogar.
So kannte er sich gar nicht, oder nicht mehr, seit seine Frau tot war. Aber womöglich ging das ohne sie auch. Womöglich ehrte er ihr Gedenken mehr, wenn er lebte, wenn er Spaß hatte, einen Schluck Wein trank und es sich gut gehen ließ?
Das ging ihm jetzt alles viel zu
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