lebt gefaehrlich
öffentlichen Brunnen, erklärte ihnen Sandor.
Madrali brachte ihnen Tee und Obst zum Frühstück. Auch ihren Proviant mußten sie im Bus bei sich haben. Er lag bereits in einem Korb verpackt: zwei Krüge mit Wasser und die Reste ihres Abendbrots. Madrali zauberte einen kleinen Pappkoffer hervor, der aussah, als hätte er schon ein Dutzend Besitzer gehabt. Darin packte Mrs. Pollifax das Kostüm, das Magda für später zugedacht war. Colin legte ein paar Ersatzfilme dazu. Von der Kamera aber trennte er sich nicht. Die trug er in einem Leinensack bei sich. Mrs. Pollifax tastete nochmals ihre Pluderhosen ab, in denen sie mehrere Banknotenbündel und Magdas Paß mit Sicherheitsnadeln befestigt hatte. Ihren Blumenhut übergab sie Mr. Madrali mit der Weisung, ihn zu vernichten, ebenso ihre nutzlos gewordene leere Handtasche.
Im ersten Morgengrauen brachen sie auf. Sie schüttelten Mr. Madrali die Hand und bedankten sich für seine Hilfe. Und dann waren sie wieder auf sich selbst angewiesen. Ihre Verkleidung bot ihnen zwar einen gewissen Schutz, aber die Straße war voller Gefahren.
»An diese Pluderhosen könnte ich mich gewöhnen«, sagte Mrs. Pollifax und schritt kräftig aus. »Ist mein Kopftuch richtig gebunden?«
»Ja, sehr schön«, sagte Sandor ernst. »Nur bitte - langsam! Sie benehmen sich wie eine Amerikanerin. Vergessen sie nicht - Sie stammen aus einem kleinen Dorf. Sie dürfen sich nicht so selbstsicher bewegen, und bitte - bleiben Sie hinter uns Männern zurück!«
Abbittend zuckte er die Schultern. »Nicht meinetwegen. Ich weiß genau, wer Sie sind. Aber anatolische Frauen arbeiten schwer und reden nichts. Sie halten sich den Schal vors Gesicht, das heißt, daß Sie sehr schüchtern sind, aus einem ganz kleinen Dorf kommen. Sie sehen nämlich bei weitem nicht so türkisch aus wie die andere Dame«, fügte Sandor mit einem Blick auf Magda zurück.
»Oh, verzeihen Sie«, sagte Mrs. Pollifax zerknirscht und blieb noch einen weiteren Schritt hinter Sandor und Colin zurück.
»Und sprechen Sie nicht ständig englisch«, steuerte Colin seinen Teil bei. Das versetzte Mrs. Pollifax einen weiteren Schlag.
Sie gingen jetzt durch eine breite Allee mit hochmodernen Häusern. Wenn nicht eine Ziegenherde durch eine Seitengasse getrieben worden und eine Schar Truthühner kreischend und flügelschlagend über eine Kreuzung getrippelt wäre, hätte Mrs. Pollifax fast vergessen, daß das der Nahe Osten war.
Sie langten an dem Platz an, wo der Autobus, ein uraltes hölzernes Vehikel, neben dem Gehsteig stand. »Es ist noch früh«, erklärte Sandor. Rundum hockten ein Dutzend Familien. Es sah aus, als hätten sie die ganze Nacht hier zugebracht. Sandor ermahnte seine Reisegefährten, mit niemandem zu reden, auch nicht untereinander, sondern sich auf ein freundliches Lächeln zu beschränken. Schweigend hockten sie sich zu den anderen auf den Boden.
Ungefähr eine Stunde später kam der Busfahrer pfeifend über die Straße, sperrte den Bus auf und brüllte den Fahrgästen zu, sie möchten ihm ihre Koffer reichen, damit er sie auf dem Dach des Autobusses verstauen konnte. Ein Polizist kam näher und blieb beobachtend stehen. Zu Mrs. Pollifax' Schreck ließ er sich dann von jedem Fahrgast den Personalausweis und die Fahrkarte zeigen.
»Nur keine Angst. Ganz ruhig bleiben«, flüsterte Sandor.
Als der Polizist bei Mrs. Pollifax anlangte, machte sie sich so klein und bescheiden wie möglich. » Yurgadil Aziz«, sagte er nachdenklich und prüfte ihren Ausweis. »Billett?« fragte er und streckte die Hand aus.
Sandor sprang auf, redete den Mann in fließendem Türkisch an und zog vier Fahrkarten aus seiner Tasche. Mrs. Pollifax begriff, daß sie nach ihrem Fahrschein gefragt worden war. Da sämtliche Karten bereits vor Tagen gekauft worden waren, konnte keine der Anwesenden eine soeben eingetroffene, polizeilich gesuchte Amerikanerin sein. Die Fahrkarten wurden zurückgegeben, der Polizist setzte seinen Rundgang fort, der Busfahrer brüllte, die Fahrgäste brüllten ebenfalls und drängten in den Autobus. Ein Kind übergab sich. Ein Schwein quietschte. Wer keinen Sitzplatz ergatterte, setzte sich auf den Boden. Männer und Frauen lachten und beglückwünschten sich, daß sie im Autobus waren, und die Reise nach Yozgat begann.
Sieben Stunden später rumpelte der Bus in Yozgat ein, nachdem er unzählige Male angehalten hatte, um den Kühler nachzufüllen, den Kindern Bewegung zu verschaffen, ohnmächtig gewordene Frauen zu laben und
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