lebt gefaehrlich
seinen Fotoapparat. Er wollte ein Paßfoto von Magda anfertigen, sobald ihre Lockenwickler entfernt und ihr Haar gekämmt war.
Colin trug abgewetzte, dünn gestreifte Hosen, die mit einem Stück Schnur festgebunden waren, dazu eine Weste, die ihm über die Brust zu eng war, ein violettes Hemd und eine hellrote Krawatte. Sein buschiger Schnurrbart verdeckte seinen Mund fast völlig. Er versuchte immer wieder, auf den Bart hinabzublinzeln. Das Ergebnis war, daß Colin gottverboten schielte. Außerdem kitzelte ihn der Bart.
Mrs. Pollifax stand auf, trat zu Magda und befühlte ihr Haar. Es war trocken. Sie nahm ihr die Wickler ab und sagte: »Mr. Madrali, haben Sie die Schminke? Und den weißen Hintergrund für das Paßbild?«
»Evet, evet«, sagte Madrali. »Dort drüben.«
»Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, wie Sie sie außer Landes schmuggeln wollen, wenn wir nicht mal aus Ankara rauskönnen«, sagte Colin.
»Ich gehe jetzt mich erkundigen.« Sandor stellte bedauernd seinen halbvollen Teller ab.
»Die weiße Bluse, bitte«, sagte Mrs. Pollifax. Sie half Magda, sich aus ihrer türkischen Tracht zu schälen und ihr eigenes marineblaues Strickkostüm anzuziehen.
Sandor blieb stehen und sagte: »Hol mich der Teufel, ohne Paß kommt sie nie über die Grenze.«
»Aber sie hat ja einen Paß«, antwortete Mrs. Pollifax überlegen. Dabei bepinselte sie Magdas weißes Gesicht mit dem flüssigen braunen Makeup.
»Hol mich der Teufel, den haben Sie auch gefälscht?«
»Der Paß ist ganz korrekt und höchst amtlich«, belehrte Mrs. Pollifax ihn. »So.« Sie schminkte Magdas Mund. »Sie sieht aus wie eine unterernährte Schauspielerin. Finden Sie nicht auch, Colin?«
»Sie haben recht. Das hätte ich nicht für möglich gehalten«, sagte Colin.
Das Blitzlicht erhellte den Raum mehrmals hintereinander, ehe er wieder in seine angestammte Dunkelheit versank. Dann legte Magda sich hin und schlief auf der Stelle ein. Colin war beim Entwickeln des Filmes sehr nervös. Da Madralis englischer Wortschatz sehr bescheiden war und er außerdem gänzlich in seiner Fälschertätigkeit aufging, öffnete Mrs. Pollifax die Tür und trat ins Freie.
Das winzige Haus, in dem Mr. Madrali wohnte - oder sich verbarg - schmiegte sich an die Mauern der Zitadelle. Die Sonne versank eben hinter den fernen Bergen. Leuchtende Röte überzog den Himmel, aber auf die Ebene rund um Ankara senkte sich bereits die Dämmerung, und die ersten Lichter blitzten auf.
Andächtig blieb Mrs. Pollifax stehen. Der Ruf des Muezzins schlug an ihr Ohr. Ich muß eines Tages zurückkommen, dachte sie, und mir dieses Land richtig ansehen. Aber sie wußte, daß diese Stimmung bei einem nächsten Besuch unwiederbringlich dahin sein würde. Diese Beglückung zu leben, entsprang der Gefahr ihrer derzeitigen Lage.
Es war sehr schnell dunkel geworden. Sie hörte hinter sich Sandors Schritte. »Sind Sie das?« fragte er und sah sie angestrengt an.
»Ja. Wo haben Sie gesteckt?«
»Wir haben Glück«, frohlockte er. »Im Morgengrauen fährt der Bus ab, der zweimal die Woche nach Yozgat geht. Ich bin zum Taksim-Platz gegangen, um sicher zu sein. Die Leute schlafen bereits dort und warten.«
»Bus?« fragte Mrs. Pollifax unsicher. »Aber wird die Polizei denn die Busse nicht auch kontrollieren?«
»Wenn Sie die Busse sehen, werden Sie verstehen«, sagte er geheimnisvoll. »Nur Türken fahren damit. Touristen nie. Und sie kaufen die Karten lange vor der Abfahrt. Hol mich der Teufel, ich habe vier Fahrkarten nach Yozgat gekauft.«
»Vier?« wiederholte Mrs. Pollifax.
»Sie brauchen mich zum Übersetzen«, sagte er bescheiden.
Dankbar sah sie ihn an. »O ja, Sandor, und wie wir Sie brauchen! Aber ich habe kaum zu hoffen gewagt... Werden Sie denn nicht von der Polizei gesucht, Sandor? Wer sind Sie wirklich?«
»Ein Gauner«, sagte er grinsend. »Und wer sind Sie?«
Sie lachte. »Offenbar frage ich schon wieder zuviel.«
»Ja, das tun Sie.« Sandor nahm ihren Arm. »Bitte, gehen Sie jetzt rein, bevor uns jemand englisch sprechen hört. Morgen bei Tagesanbruch fahren wir nach Yozgat.«
Nachdem Sandor jetzt offiziell das Amt des Reiseleiters übernommen hatte, führte er ein strenges Regiment. Er gestattete ihnen, bis drei Uhr früh zu schlafen. Dann rüttelte er sie wach. »Ihr müßt jetzt aufstehen, wie echte Bauern. Ihr könnt auf dem Taksim-Platz weiterschlafen, bitte. Wie die anderen.«
Die drei erhoben sich steifbeinig von ihren Matten. Waschen mußten sie sich unterwegs am
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