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lebt gefaehrlich

lebt gefaehrlich

Titel: lebt gefaehrlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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das Haus in Yozgat sehen, von dem Sie sprechen.«
Colin atmete erleichtert auf. »Gott sei Dank! Dann weiß er, wovon ich rede!«
Wieder begann der Zigeuner zu sprechen.
»Er bittet Sie, sich zu ihm auf die Stufen seines Wagens zu setzen und ihm zu erklären, was geschehen ist. Außerdem soll ich Ihnen sagen, daß er keine Waffen besitzt.«
»Sagen Sie ihm, das macht nichts. Ich bin ein Anhänger der Gewaltlosigkeit«, erwiderte Colin feierlich.
»Tatsächlich!« rief Sabahat aufgeregt. »Und ich doch auch! Und alle meine Freunde hier und im College ebenfalls«, sagte sie mit glänzenden Augen. »Erzählen Sie. Haben Sie schon einmal bei - wie nennt man das nur - Love-ins mitgemacht?«
»Leider nein«, sagte Colin bedauernd.
»Sie haben von so schrecklichen Dingen gesprochen - Entführung, Kidnapping. Ich kann es kaum glauben. Wer sollte denn so etwas tun? Hat das einer meiner Landsleute Ihrer Freundin angetan?«
»Nein, ich glaube, er ist Franzose.«
»So viele Ausländer sind in Yozgat?« sagte sie. »Ach, das würde meine Freunde brennend interessieren.«
Colin blieb unvermittelt stehen. »Wie viele Freunde haben Sie denn in Yozgat?« erkundigte er sich.
»Ungefähr zwölf verbringen die Collegeferien zu Hause.« Sie lachte ihn plötzlich mutwillig an. »Denken Sie am Ende dasselbe wie ich? Bestimmt! Ich weiß es!«
Colin sah sie an, sie sah ihn an, und sie verstanden einander auch ohne Worte. Mit Ausnahme seiner Schwester Mia war er noch keinem Menschen mit derart schneller Auffassungsgabe begegnet.
Der Zigeuner brummte etwas. Er hatte geduldig gewartet. Jetzt redete er rasch auf Sabahat ein, die sich höflich verneigte und ihm zuhörte. Als er geendet hatte, nickte sie und lächelte Colin zu. »Alles in Ordnung. Er sagt, er vertraut Ihnen. Er sagt, er ist als einziger zurückgeblieben, um auf Magda zu warten und sie zu den anderen Zigeunern zu führen. Er sagt, wenn Sie von der Polizei sind, schneidet er Ihnen die Kehle durch. Andernfalls will er uns helfen.«
»Uns?« fragte Colin überrascht.
Sie lächelte ihn an. »Wie soll ich denn wissen, ob Ihr Plan geglückt ist, wenn ich mich jetzt von Ihnen trenne?«
»Das muß ich schon mal gehört haben«, meinte Colin spöttisch. »Also gut, dann entwerfen wir einen Plan. Leicht wird es nicht sein, aber sagen Sie ihm, daß ich sehr froh bin, ihn auf meiner Seite zu haben.«
»Mich auch?« fragte sie keck und errötete.
»Ja, Sie auch«, antwortete er lächelnd.
Das Dorf schien in unendlicher Feme zu liegen. Sie waren über Felder und unbebautes Land gelaufen, um zu dem Schuppen hinter dem Haus zu gelangen, in dem Magda, Mrs. Pollifax und Sandor versteckt waren.
Der Zigeuner deutete auf den Wagen. Colin nickte. Sie krochen vom Schuppen über den Hof bis in den Schatten des Autos. Dort zog der Zigeuner ein langes Messer hervor und zerschnitt die Reifen. Sie krochen zur Hausmauer, hockten sich unter eines der Fenster mit den geschlossenen Läden und drückten die Ohren an die Wand.
Colin hörte, wie Sandor immer aufs neue wiederholte:
»Ikiyuzlu... Ikiyuzlu...« Colin hatte dieses Wort mehrmals von seinem Onkel vernommen und kannte daher dessen Bedeutung. Es hieß Heuchler, oder genauer, es bezeichnete einen Menschen, der zwei Gesichter zeigte. Dann sagte Sandor plötzlich: »Canavar.« Sandor lebte also noch.
Der Zigeuner musterte eingehend die Hauswand über ihren Köpfen.
Zu Colins Verwunderung tastete er dann die Oberfläche der Mauer ab. Colin konnte jetzt die Konturen einer Tür erkennen, die wohl vor längerer Zeit kunstlos mit Ziegeln zugemauert worden war. Plötzlich schlossen sich die Fingerspitzen des Zigeuners über einem Ziegel. Er stemmte die Füße fest auf den Boden, beugte sich vor und hob den Ziegel mit der bloßen Hand aus der Wand. Genauso rasch schob er ihn wieder an seinen Platz. Der Zigeuner drehte sich um und lächelte Colin voller Genugtuung an. Sie tasteten den Verputz nach anderen schlecht vergipsten Ziegeln ab und fanden insgesamt ein Dutzend, alle dort, wo früher einmal eine Tür gewesen war.
Nachdem sie die zwölf losen Ziegel entdeckt hatten, zog der Zigeuner sein Messer hervor. Sie begannen vorsichtig den Mörtel um die anderen Ziegel zu lockern. So arbeiteten sie eine halbe Stunde lang. Dann blickte Colin auf seine Uhr, tippte den Zigeuner auf den Arm und flüsterte: »Sabahat.«
Der Mann nickte, deutete an, daß er hier bleiben würde, und Colin kroch davon, um ins Dorf zurückzueilen und Sabahat zu treffen.
Nachdem Colin fünfzehn

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