lebt gefaehrlich
fragte er streng.
»Ja, Sir.«
»Nenne mich nicht immer Sir, ich bin nicht dein Vater. Ich werde nicht zulassen, daß man dich einsperrt. Es gibt nichts Scheußlicheres als türkische Gefängnisse. Ich könnte mich ja freiwillig melden. Befreiungsaktionen dieser Art sind mir nichts Neues - schließlich war ich ja im Krieg.«
In diesem Augenblick kam Sabahat um die Ecke geeilt. Bei seinem Anblick rief sie atemlos: »Wir sind soweit - es ist alles besprochen! Yozgats bester Dichter wird ein Willkommensgedicht lesen - dasselbe, das er vor zwei Jahren anläßlich des Besuchs des Premierministers geschrieben hat! Und der griechischorthodoxe Priester wird ein Gebet sagen!«
»Dichter? Priester?« sagte Onkel Hu. Anerkennend sah er zuerst Sabahat und dann Colin an. »Ich muß schon sagen, du scheinst dich gar nicht ungeschickt anzustellen. Hättest du etwas dagegen, wenn ich mithalte?«
Mrs. Pollifax seufzte und öffnete die Augen. Sie war samt dem Stuhl, an den sie gefesselt war, zu Boden gestürzt oder gestoßen worden.
Jetzt lag sie mit der Wange auf dem harten Lehmboden. Sie hörte Sandor mit tiefer Stimme sagen:
»Canavar...« Sie wußte, daß sie durch irgend etwas geweckt worden war. Aber was das war, konnte sie nicht sagen. Durch die offene Tür hörte sie Dr. Belleaux leise reden:
»Geben Sie ihr das Serum auf jeden Fall. Wir müssen es riskieren, selbst wenn sie daran stirbt. Eine andere Möglichkeit haben wir nicht.«
»Magda«, sagte Mrs. Pollifax. Sie meinte, laut und deutlich gesprochen zu haben, es war aber nur ein Flüstern gewesen. Von ihrem Platz aus konnte sie Magda nicht sehen. Dann versank sie wieder in Bewußtlosigkeit.
Als sie das nächstemal die Augen aufschlug, glaubte sie, geträumt zu haben, daß Ratten die Hausmauer anknabberten. Unmittelbar nach dem Erwachen aber hörte sie noch immer ganz deutlich ein Scharren in der Mauer. An dieser Wand nagt wirklich eine Ratte, dachte sie und lauschte angestrengt. Dann bin ich also wieder bei Bewußtsein! Ein großer Trost war das allerdings nicht, denn ihre Lage hatte sich nicht verändert. Noch immer lag sie im Halbdunkel verkrümmt auf dem Boden. Unter ihrer Wange fühlte sie den Lehmboden. Im Nebenraum wurde gesprochen. Es ging ihr besser.
Zwar fühlte sie sich nach wie vor wie zerschlagen, aber die Schmerzen waren abgeklungen. Wenn sie mit der Zunge über ihre Lippen fuhr, schmeckte sie Blut, und die Nase tat ihr weh, aber das Hämmern und das dumpfe Gefü hl im Kopf waren weg. Sie hoffte, daß sie sich keine Knochen gebrochen hatte. Die Stimmen im Nebenraum waren ganz deutlich zu hören und Mrs. Pollifax bemühte sich, die Worte zu verstehen. »... wegen der Sicherheitsvorkehrungen für das Fest der Jugend nach Bulgarien gefahren...« Und dann: »Hatten Sie ursprünglich die Absicht, in Istanbul zum englischen Konsulat zu gehen?«
»Nicht nur, nein...« Das war Magdas Stimme. Die klang merkwürdig tonlos. »Aber ich hatte nicht erwartet, daß man mich so bald und so gründ lich suchen würde. Ich durfte den Zigeunern keine Schwierigkeiten machen.«
Zigeuner, dachte Mrs. Pollifax. Wie konnte Magda denn vor Dr. Belleaux die Zigeuner erwähnen? Sie hätte gern gewußt, wie spät es war. Ihre Lippen waren trocken und aufgesprungen. Ob sie Wasser verlangen sollte? Sie nahm sich zusammen und versuchte, genau zu überlegen. Heute war vermutlich Donnerstag. Nein, schon falsch. Es mußte noch Mittwoch sein, Nachmittag oder Abend. Sie waren heute in Yozgat eingetroffen, und Dr. Belleaux hatte ihnen in Aussicht gestellt, daß sie in Kürze erschossen und in dem schwarzen Wagen zu einer archäologischen Ausgrabungsstelle befördert werden würden. Keine sehr liebliche Vorstellung. Sie überlegte, ob man ihre Leiche wohl jemals finden und identifizieren würde. Vielleicht war es besser, wenn das nie geschah, grübelte sie. Die Entdeckung würde Mr. Carstairs in die größte Verlegenheit stürzen. Und natürlich waren da auch noch ihre Kinder. Es waren ausnehmend nette Kinder, Roger und Jane, aber sie würden sicher nicht begreifen, wieso ihre Mutter in der Türkei ermordet wurde und in der Tracht einer einheimischen Bäuerin steckte.
Mrs. Pollifax fiel ein, daß auch nach ihrem Tod noch lange nicht alle Gefahren vorbei waren. Es blieb immer noch Dr. Belleaux, dem Carstairs auch weiterhin vertraute. Darüber erschrak sie so heftig, daß sie plötzlich hellwach war. In diesem Augenblick hörte sie Dr. Belleaux ganz deutlich sagen: »Man hat Sie eine abtrünnig
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