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lebt gefaehrlich

lebt gefaehrlich

Titel: lebt gefaehrlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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gewordene kommunistische Agentin genannt, Madame FerenciSabo. Auch den Russen sind Sie als solche bekannt. In Wahrheit aber haben Sie all die Jahre für die Amerikaner gearbeitet, nicht wahr?«
    Mrs. Pollifax rang nach Luft. Ihr Verstand funktionierte wieder ausgezeichnet. Was sie da vernahm, war mehr als alarmierend.
    Sicher stand Magda unter der Einwirkung von Drogen, sonst würde sie nicht sprechen. Was hatte sie nur vorhin gehört? ›Wir müssen es riskieren, selbst wenn sie daran stirbt.‹ Sie hatten ihr also nicht irgendein Betäubungsmittel verabreicht, sondern ein sogenanntes Wahrheitsserum.
    »Ja, das stimmt«, antwortete Magda, mit derselben tonlosen, unbeteiligten Stimme. »Ich war - bin - eine Gegenagentin.«
Ergeben ließ Mrs. Pollifax sich wieder zurücksinken. Dabei konnte sie flüchtig Sandor sehen, wie er gespannt zuhörte. Sie sah die Striemen auf seiner Wange und den Knebel in seinem Mund. Und sie dachte: Jetzt weiß also auch er, was Magda ist.
»Soso«, sagte Dr. Belleaux. Seine Stimme war nicht ganz fest. Sie verriet, wie sehr ihn die Entdeckung erregte, daß sein Verdacht sich als Tatsache erwies. Als er wieder sprach, klang unverhohlene Genugtuung aus seiner Stimme. »Jetzt erzählen Sie mir, bitte, wie Sie die Amerikaner nach Ihrer bemerkenswerten Flucht vor meinen beiden Leuten verständigten.«
»Stefan ließ ein paar türkische Lira auf dem Tisch liegen. Die habe ich eingesteckt. Einer der Zigeuner in Istanbul hat ein Telegramm für mich aufgegeben.«
»An welche Adresse?«
Magda nannte die Deckadresse in Baltimore.
»Ich danke Ihnen!« sagte Dr. Belleaux begeistert. »Recht schönen Dank! Jetzt möchte ich mich mit Ihnen darüber unterhalten, wo Sie das fehlende Dokument versteckt haben, jene streng geheime Unterlage, die Sie aus Rußland geschmuggelt haben...«
Er brach unvermittelt ab. Auch Mrs. Pollifax hatte es gehört.
Draußen bewegte sich etwas. Es klang, als streife jemand gegen die Haustür. Dann begriff sie: es hatte geklopft. Und es klopfte noch einmal.
»Verdammt!« rief Dr. Belleaux. »Stefan!«
»Evet«, meldete sich Stefan gleichmütig. »Es ist nur ein junges Mädchen. Ich sah sie kommen. Sie hat einen Notizblock und einen Bleistift.«
    »Sicher hat sie Stimmen gehört. Öffnen Sie und schieben Sie sie ab. Assim, verstecken Sie die Spritze. Und decken Sie die Frau zu, damit man sie für eine Kranke hält.«
    Mrs. Pollifax hatte den Atem angehalten. Jetzt räusperte sie sich, um auszuprobieren, ob ihre Stimme noch funktionierte. Wenn sie nur schreien könnte! Sie sagte heiser: »Jemand ist an der Tür.«
    Sandor hatte sie jedenfalls gehört. Er ächzte und riß wütend an seinen Fesseln. Stefan schob den Riegel zurück und öffnete die Haustür. Mrs. Pollifax hörte eine frische junge Stimme. Aber leider sprach das Mädchen türkisch. Daran hatte Mrs. Pollifax nicht gedacht.
    Mit aller Kraft setzte sie zu einem Schrei an. »Hilfe!« krächzte sie.
»Hilfe! Hilfe!«
    Dr. Belleaux sagte einige belustigte türkische Worte, lachte auf und schloß die Verbindungstür zwischen den beiden Räumen. Damit waren sie unwiderruflich zum Tode verurteilt.
    Tränen traten Mrs. Pollifax in die Augen. »Es tut mir so leid, Sandor«, sagte sie. »Ich hätte so gern laut geschrien, aber meine Stimme tut nicht mit. Ich kann nicht schreien.« Sandor antwortete nur mit einem Knurren. »Es tut mir so leid, daß Sie geschlagen und gefesselt und geknebelt wurden«, sagte Mrs. Pollifax. Ihr lag viel daran, sich im Sprechen zu üben. Vielleicht ergab sich doch noch einmal die Gelegenheit. »Bestimmt bedauern Sie es unendlich, daß Sie sich uns angeschlossen haben, aber wie Sie gehört haben werden, steht hier mehr auf dem Spiel als nur unser Leben.« Die Tränen liefen ihr übers Gesicht und vermengten sich mit dem eingetrockneten Blut auf ihren Wangen. »Oh, diese Ratte in der Mauer macht mich wahnsinnig!« rief sie empört. »Als ob es nicht genug wäre, daß wir von menschlichen Ratten umgeben sind! Da muß auch noch...«
    Sie schnappte hörbar nach Luft. Die Wand vor ihr löste sich auf. Die Sonne fiel in den dunklen Raum, und es wurde zusehends heller, während zwei große, braune Hände geschickt einen Ziegel nach dem anderen aus der Mauer hoben. Mrs. Pollifax traute ihren Augen nicht.
    Entweder litt sie unter Sehstörungen oder unter Halluzinationen. In Sekundenschnelle war das Loch genügend groß für zwei kräftige Schultern. Diese Schultern verdeckten das Licht, das ihren verschwollenen

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