lebt gefaehrlich
Augen wehgetan hatte. Die Worte, die Mrs. Pollifax' Lippen entschlüpften, kamen ganz spontan. »Hol mich der Teufel!«
Die Schultern des Mannes schoben sich durch das Loch, und dann hob er den Kopf. Mrs. Pollifax hatte ihn noch nie gesehen. Seine Hautfarbe war dunkel, er blickte grimmig und verschlagen. Er hob einen Finger an die Lippen, zog die Beine durch das Loch und schlich auf Zehenspitzen durch den Raum. Ihm folgte ein zweiter Mann, der Mrs. Pollifax ebenfalls unbekannt war. Deshalb war sie überzeugt, daß sie wieder das Bewußtsein verloren haben mußte und von einer glücklichen Flucht träumte.
Der zweite Mann war groß, hager und staubbedeckt. Er ging sofort zu Sandor, als sei dies so abgesprochen. Rasch wurden die Fesseln durchschnitten. Mrs. Pollifax wurde sanft hochgehoben und zu dem Loch in der Wand getragen. Von draußen griffen Hände vorsichtig nach Mrs. Pollifax' wunden Fingern. Sie wurde halb durch das Loch gezogen, halb geschoben und landete im grellen Sonnenlicht des Spätnachmittags, wo ihr - ausgerechnet - Colin Ramsey entgegenlächelte- »Colin!« hauchte sie.
»Ja«, grinste er. »Ist das nicht wunderbar?«
Sobald Sandor ebenfalls ins Freie geschoben worden war, hob Colin beide Arme und winkte jemand, den sie nicht sehen konnte.
Der große Mann mit dem sandfarbenen Haar kroch hinter Sandor durch das Loch, und der dunkle mit dem wilden Aussehen setzte rasch wieder die Ziegel an ihren Platz.
»Sie müssen ein paar Meter gehen, ehe Sie sich ausruhen können«, sagte Colin. »Wir müssen zur vorderen Hausecke gelangen und haben nur drei Minuten dafür Zeit.«
Colin stützte Mrs. Pollifax, der blonde Mann stützte Sandor und langsam erreichten sie einen verkümmerten Efeustock an der Hausecke, der ihnen etwas Deckung bot. Hier holte der dritte Mann sie ein und duckte sich hinter ihnen, während sie warteten.
Langsam näherte sich ein Lastwagen auf der verlassenen Straße.
Colins Wagen? dachte Mrs. Pollifax verwirrt, aber der war doch in Ankara geblieben. Der Lastwagen hielt an der Vorderseite des Hauses an. Ein halbes Dutzend junger Leute in westeuropäischer Kleidung sprang aus dem Lastwagen und begann abzuladen. Es war unfaßbar! Körbe mit Obst und Lebensmitteln, Wasserkrüge und riesige Blumensträuße. Ein Mann im Priestertalar kletterte vom Fahrersitz. Sie steuerten alle auf das Haus zu.
»Magda ist da drinnen«, flüsterte Mrs. Pollifax.
»Das wissen wir«, sagte Colin gelassen. »Sabahat hat vor wenigen Minuten an die Tür geklopft und gesagt, daß sie von der Volkszählung kommt. Sie hat gemeldet, daß im Vorderzimmer drei Männer und eine Kranke sind.«
»Sabahat? Volkszählung?« wiederholte Mrs. Pollifax fassungslos.
»Jetzt«, sagte Colin zu dem blonden Mann. Der Fremde nickte, ging zu dem leeren Lastwagen und fuhr ihn im Rückwärtsgang zu Mrs. Pollifax und Sandor hin.
»Steigen Sie rasch ein!« befahl Colin.
Als sie aufgeladen waren, bog der Lastwagen wieder in die Straße ein, diesmal in Richtung zum Dorf. Mit laufendem Motor hielt er an.
Am Steuer saß der große Fremde. Colin und der dunkelhäutige Mann, der wie ein Zigeuner aussah, gingen zum Haus. Die jungen Leute und der Priester waren spurlos verschwunden - im Haus. Die Tür hatten sie weit offengelassen. Es sah aus, als sei drinnen eine Party in vollem Gange. Und mitten darunter waren Colin und der Zigeuner.
Im nächsten Augenblick tauchten sie wieder auf und trugen zu zweit die bewußtlose Magda aus dem Haus. Ein junges Mädchen kam zu ihnen, lachte und rief über die Schulter hinweg den anderen jungen Leuten etwas zu. Für Sekundenbruchteile erblickte Mrs. Pollifax Dr. Belleaux. Eine Schar lachender junger Leute umschwärmte ihn und hielt ihn zurück. Er streckte beide Hände nach Magda aus. Er war aschfahl. Jemand drückte ihm einen Teller mit Weintrauben in die Hände. Eine Blumenkette wurde ihm über den Kopf geworfen.
Langsam wich er zurück.
Die beiden Männer legten Magda in den Laderaum des
Lasters.
»Es ist ein Love-in«, sagte Colin. »Dr. Belleaux wird mit Gewaltlosigkeit überwältigt.« Er drehte sich um zu dem Mädchen. »Das ist Sabahat, von der dieser Einfall stammt Sabahat Pasha. Sabahat, bitten Sie Sebastian, daß er sich vorn hinsetzt und uns zu den Zigeunern lotst.«
»Guten Tag«, sagte Sabahat und lächelte Mrs. Pollifax an. »Ich bin froh, daß Sie in Sicherheit sind.« Sie unterhielt sich auf türkisch mit dem Zigeuner und streckte dann Colin die Hand entgegen. »Ich sorge
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