Lee, Julianne
Jetzt war nicht der richtige Moment, ihm zu gestehen, dass sie ein Kind von ihm erwartete.
19. KAPITEL
Seine Frau rief draußen auf dem Flur: »Bist du fertig, Iain?« Er schrak zusammen, bejahte ihre Frage und atmete dann tief durch.
Ciarans Verwandte akzeptierten Leah als seine Frau, ohne Fragen zu stellen. Zwar wussten sie sicher, dass sie Engländerin war, aber sie ahnten wenigstens nicht, dass ihr Vater als Captain der feindlichen Armee diente. Dafür war sie dankbar, denn die MacKenzies ließen sie spüren, dass sie nur Ciaran zuliebe die Anwesenheit ei-
ner Engländerin in ihrem Lager duldeten. Nicht auszudenken, wie sie reagieren würden, wenn sie die Wahrheit über ihren Vater erfuhren.
Caitlin hielt hartnäckig am Leben fest, obwohl sie von Fieberkrämpfen geschüttelt wurde. Die Männer hatten ein Mutterschaf eingefangen, dessen Milch dem Baby das Leben rettete, doch die Freude darüber wurde von der Ungewissheit über Caitlins Schicksal getrübt Manchmal richtete sie in ihrem Fieberwahn ein paar Worte an einen Mann, der, wie Leah erfuhr, ihr Ehemann gewesen war, der Vater des Kleinen. Er war in den Diensten des Prinzen bei Falkirk gefallen.
Leah konzentrierte sich ganz auf die ihr zugeteilten Aufgaben, versorgte Caitlin, hielt ihre und Ciarans Kleider sauber und bereitete das Essen für alle. Die Arbeit hielt sie davon ab, ständig über das schreckliche Verbrechen nachzudenken, das hier verübt worden war. Ciaran und die beiden Jungen begruben die Leichen in dem niedergebrannten Dorf, aber danach kehrte keiner von ihnen mehr dorthin zurück. Am Abend saßen sie am Feuer und unterhielten sich leise auf Gälisch, aber obwohl sich Ciaran weigerte, Leah die Worte zu übersetzen — oder gerade weil er sich weigerte -, wusste sie, dass sie über das Massaker sprachen. Die hilflose Wut und der unendliche Kummer war den Männern deutlich vom Gesicht abzulesen.
Leah selbst bemühte sich, das Geschehene zu verdrängen. Wenn ihr diese unschuldigen Menschen in den Sinn kamen, die grausam abgeschlachtet worden waren, schüttelte sie nur den Kopf und dachte an etwas anderes. Grübelte sie zu eingehend über das nach, was man ihnen angetan hatte, musste sie sich unweigerlich auch mit denen beschäftigen, die die Schuld an dem Gemetzel trugen, und das konnte sie nicht ertragen.
Eines Tages griff Ciaran nach dem silbernen Schwert, das, wie er sagte, die Könige James I. und VI. seiner Familie zum Geschenk gemacht hatte, und verließ das Versteck. Leah fand ihn draußen vor dem Dickicht, wo er das Schwert mit der linken Hand durch
die Luft wirbelte und mit der Spitze kleine Kreise beschrieb. Dann wandte er sich wortlos ab und schlug den Pfad ein, der zu der großen Lichtung oben auf dem Hügel führte.
Leah folgte ihm. »Was hast du vor?«
»Ich brauche das Schwert, um mich verteidigen zu können, und mein rechter Arm ist nicht kräftig und beweglich genug, um es zu handhaben. Also muss ich lernen, mit dem linken zu kämpfen.« Er hob den rechten Arm, um ihr zu zeigen, welche Fortschritte er gemacht hatte, und beugte den Ellbogen, bis er seine linke Schulter berühren konnte. »Ich kann den Arm leider nur bis zur Höhe meiner Schulter anheben und bin außerdem viel zu langsam damit Im Kampf hätte ich keine Chance. Vielleicht geht es mit der Linken besser.«
»Mit der linken Hand bist du doch viel zu ungeschickt.« Garam stand in der Mitte der Lichtung und beschrieb mit dem Schwert immer größere Kreise. Sein Gesicht glich einer angespannten Maske, während er sich darauf konzentrierte, ein Gefühl für die Waffe zu bekommen. »Mein Vater konnte mit beiden Händen gleich gut kämpfen, für ihn bestand da fast kein Unterschied. Als ich ein Kind war, wollte er mir beibringen, eine Waffe mit der linken Hand zu führen. Es war mir zu anstrengend, daher weigerte ich mich, aber ich erinnere mich daran, was er mir immer eingeschärft hat. Er sagte, wenn ein Mann auch linkshändig zu kämpfen weiß, dann wiegt der Überraschungseffekt die fehlende Schnelligkeit auf.«
Er trat zurück, nahm Grundhaltung ein und vollführte einige Übungen. Selbst Leah konnte sehen, wie langsam und schwerfällig er sich bewegte, aber er ließ sich nicht beirren, sondern wiederholte die Übungen wieder und wieder. Wenn Ciaran damit beschäftigt war, seine linke Hand zu trainieren, schien er an nichts anderes zu denken. Auch sonst arbeitete er vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang daran, seinen rechten Arm zu kräftigen und die alte
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