Lee, Julianne
ich.«
Stille trat ein, während Ciaran den Bogen nachdenklich betrachtete. Dann griff er danach, erhob sich und spannte die Sehne. Seine Mundwinkel verzogen sich vor Schmerz, aber er hielt den Bogen mit sicherer Hand, und sein rechter Arm zitterte nicht. Er ließ die Sehne los und seufzte, ehe er Alasdair ansah. »Na schön. Wenn ich euch helfen kann, bleiben wir bei euch, aber nicht zu lange. Wir müssen nach Ciorram.«
Alasdair nickte. Auch die anderen MacKenzies wirkten erleichtert, jetzt einen erfahrenen Jäger in ihrer Mitte zu haben.
Nachdem sie etwas gegessen und Ciaran Kiefernzweige gesammelt hatte, um ein Lager daraus zu bereiten, zogen sich Leah und er in eine Ecke des Verstecks zurück, die für sie beide gerade groß genug war. Eine Birke und Ginstergestrüpp schützten sie vor den Blicken der anderen. Ciarans Schwert und Dolch waren in den Zweigen sicher versteckt. Leah kuschelte sich wie üblich an Ciarans gesunde Seite.
Er blickte auf, rieb sich die Augen und murmelte so leise, dass ihn die anderen nicht hören konnten: »Warum hast du mir nichts gesagt?«
»Wie bitte?«
Er wandte sich ihr zu. »Nicht du.« Er schaute ins Gestrüpp. »Tinkerbell, warum hast du die ganze Zeit geschwiegen?« Tränen glänzten in seinen Augen. »Tink!«
Doch anscheinend fiel die Antwort der Fee anders aus als erwartet, denn er brummte etwas, das wie ein gälischer Fluch klang. Leah lag still neben ihm und lauschte seinen Atemzügen. Endlich flüsterte sie: »Was hat dir die Fee nicht gesagt?«
Lange Zeit herrschte gespanntes Schweigen zwischen ihnen. Leah wartete auf eine Antwort, aber es sah so aus, als wolle er ihr keine geben.
Doch dann erwiderte er mit tonloser Stimme: »Ich habe meine Mutter sterben sehen. Aber ich hatte es vergessen, verdrängt, und die Erinnerung ist erst zurückgekehrt, als ich diese Frauen betrachtet habe.«
Leah schloss entsetzt die Augen und wünschte, sie hätte den Mund gehalten. Er fuhr fort: »Bis heute wusste ich nichts mehr davon. Ich konnte mich an nichts erinnern, bis ich die Frau da liegen sah - mit gespreizten Beinen, wie meine Mutter dagelegen hatte, als sie ermordet wurde.« Er brach ab und atmete ein paar Mal tief durch, ehe er weitersprach. »Sìle und ich hatten uns versteckt, denke ich. Der Mörder hat uns nicht gesehen. Er kam ins Haus und tat meiner Mutter das an. Ich erinnere mich, wie ich aus dem Versteck gekrochen bin, aber da war er schon wieder weg. Jemand ...« Wieder hielt er inne und dachte nach. »Es war Sarah, glaube ich. Sarah kam und brachte uns fort. Aber ich erinnere mich ...« Seine Stimme zitterte, war kaum noch zu vernehmen. »Ich habe hingeschaut. Als Sarah uns aus dem Haus brachte, drehte ich mich um und sah meine Mutter... so daliegen. Auf dem Tisch, mit gespreizten Beinen und hochgeschobenen Röcken, und Blut tropfte auf den Boden ...« Er konnte nicht weitersprechen, sondern musste gegen die Tränen ankämpfen.
»Ach, Ciaran...« Leah streichelte sacht seine Hand, die auf ihrer Brust lag.
Mit zusammengebissenen Zähnen knirschte er: »Ich wünschte, ich hätte mich nie erinnert. Ich wünschte, ich könnte dieses... dieses Bild für immer auslöschen.«
Leah drückte die Lippen auf seine Hand. »Immer und überall nur Tod. So viele Menschen mussten grundlos sterben. Wann wird das je enden?«
»Nie. Die Sassunaich wollen uns vernichten. Sie werden keine Ruhe geben, bis das Land vom letzten Schotten befreit ist.«
Darauf fiel Leah keine Antwort ein. Nach all dem, was sie in den letzten Wochen gesehen hatte, konnte sie nicht anders, als ihm Recht zu geben.
Ciaran stützte sich auf einen Ellbogen, presste seine Lippen auf die ihren und küsste sie mit einer Wildheit, die sie bei ihm noch nicht erlebt hatte und die sich sofort auf sie übertrug. Mit der verletzten Hand nestelte er an den Knöpfen seiner Hose herum. Sie half ihm, sie ein Stück herunterzuziehen, während er ihren Rock in die Höhe schob, ihre Beine spreizte und mit einem Ruck in sie eindrang. Sie schlang die Arme um ihn, als er sich zu bewegen begann, und drückte ihn fest an sich, denn sie ahnte, was jetzt in ihm vorging. Ihr erging es ja nicht anders.
Nach wenigen Augenblicken war alles vorbei. Er rollte sich von ihr herunter und blieb keuchend neben ihr liegen. Leah barg ihr Gesicht an seinem Arm und begann leise zu schluchzen.
Ciaran gab ein undefinierbares Grunzen von sich. »Leah, sie sind noch nicht fertig mit uns, glaub mir.«
Leah schniefte nur, sagte aber nichts.
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