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Lee, Julianne

Lee, Julianne

Titel: Lee, Julianne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Schwert der Zeit 04 - Die Erfüllung
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Jahre, die sie trennten, hatten seit jeher eine unüberbrückbare Kluft zwischen ihnen gebildet. Calum war eine Frohnatur, ein Mensch, der immer zu lächeln schien und alles auf die leichte Schulter nahm. Auch war er ständig in Bewegung. Auch jetzt konnte er nicht still stehen, sondern schlenderte durch den Raum, nahm dieses und jenes zur Hand, legte es wieder weg und griff nach etwas anderem.
    Ciaran war auf die ständigen Sticheleien und Herausforderungen seines Bruders nie eingegangen, sondern hatte sie hingenommen wie einen üblen Geruch, den man mit der Zeit gar nicht mehr wahrnimmt. Pa hatte alle seine Söhne geliebt, und daher bemühte sich Ciaran, Calum gleichfalls brüderliche Liebe entgegenzubringen. Es gab ja auch vieles, was er an ihm schätzte - seine fröhliche Art, sein Lachen, seine Vitalität und seine unerschütterliche Loyalität gegenüber dem Clan. So sah er über die schlechten Eigenschaften Calums meist großzügig hinweg. Ciaran fuhr fort, die Sachen seines Vaters durchzusehen und hob einen sgian dubh hoch, der auf einem alten, abgenutzten ledernen Wehrgehenk lag.
    »Oder du hättest ihn und seinen Teufelsspross in einer gemeinsamen Kammer unterbringen können«, fuhr Calum fort. »Wahrscheinlich ist sie gar nicht seine Tochter, und es wäre ihnen ohnehin lieber so gewesen. Aber du scheinst dich ja bei den Engländern lieb Kind machen zu wollen.«
    Der Hieb hatte gesessen, und Ciaran zahlte sofort mit gleicher Münze zurück. »Ich habe meine Gründe, Malcolm.« Ein verstohlener Blick verriet ihm, dass der Pfeil getroffen hatte. Sein Bruder lief rot an. Fast tat er Ciaran Leid. Es musste schrecklich sein, so unter seinem Namen zu leiden.
    Er betrachtete den Dolch in seiner Hand, überlegte, was er damit anfangen sollte, dann trat er zu seinem Schrank und zog eine Schublade auf. Sie war mit Hemden und wollenen Strümpfen gefüllt, doch auf der linken Seite lag allerlei Krimskrams, für den sonst nirgendwo Platz war. Er legte den sgian dubh zu den Steinen, den alten eisernen Schuhschnallen, den Musketenkugeln und den anderen Schätzen seiner Kindheit.
    Dabei stieß er auf den Talisman, der sich seit ewigen Zeiten in seinem Besitz befand. Er hatte ihn viele Jahre nicht mehr in der Hand gehabt und schon beinahe vergessen. Ciaran nahm ihn heraus, betrachtete ihn und wischte einen kleinen Wollfussel davon ab.
    Es war eine Stahlbrosche, die vielleicht drei Zoll im Durchmesser maß und eine Krone zeigte, aus der eine Hand mit einem Schwert herausragte. Vor langer Zeit hatte ihm jemand erzählt, sie sei ein Clansabzeichen, er hatte jedoch noch nie etwas Ähnliches gesehen. Für ihn waren Clansabzeichen Blumen oder Federn, die man an seiner Kappe trug. Rund um den Rand der Brosche waren die Worte >Fac et spera< eingraviert. Handle und hoffe. Das Clansmotto, hatte Pa gesagt. Weise Worte, wie er fand.
    Sinann, die auf ihrem Lieblingsplatz hockte, sagte: »Erinnerst du dich noch an die Eigenschaften des Talismans?«
    Ciaran blickte auf, wagte jedoch in Calums Gegenwart nicht, mit der Fee zu sprechen. Er erinnerte sich sehr gut daran, warum Pa ihm die Brosche gegeben hatte. Sie war verzaubert und machte ihren Träger unsichtbar; solange sich dieser nicht bewegte. Als Junge hatte er den Talisman ständig bei sich getragen, und er hatte ihn und Sìle mehr als ein Mal vor den Rotröcken gerettet. Während er ihn zwischen den Fingern drehte, dachte er an die furchtbaren Zeiten zurück, wo er ihn ständig hatte benutzen müssen. Sìle und er hatten oft eng umschlungen reglos dagesessen und zugesehen, wie mit Schwertern und Bajonetten bewaffnete Soldaten ihr Haus durchsuchten und unter Betten und hinter Möbelstücken herumstocherten. Aber die Amtszeit seines Vaters war relativ friedlich gewesen, nur gelegentlich hatte es noch Verhaftungen oder Hausdurchsuchungen gegeben. Daher hatte Ciaran den Talisman schon lange nicht mehr benutzen müssen. Er rieb die Brosche behutsam mit dem Daumen blank, bevor er sie auf den Tisch am Fenster legte.
    Calum ging zu den Kisten hinüber und spähte hinein. »Was hast du denn alles gefunden?«
    »Nur alte Papiere. Pa hat ja immer darauf bestanden, alles und jedes schriftlich festzuhalten. Als ich noch ein kleiner Junge war, brachte er mir schon bei, wie man Taufen, Hochzeiten oder Sterbefalle im Kirchenbuch dokumentiert.«
    Calum verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust und bemerkte beiläufig: »Hast du denn Vaters und Mutters Namen schon eingetragen?«
    Ciaran hielt

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