Lee, Julianne
»Deine eigene Frau wird sich sicher freuen, dass zu hören.«
Jeder im Raum drehte sich zu Alasdairs Frau um, die mit vor der Brust verschränkten Armen zu Boden starrte. Ihr Bauch war stark gewölbt; sie erwartete ihr viertes Kind, wahrscheinlich wieder einen Sohn. Seumas Glas hatte bis jetzt nur Enkelsöhne.
Ciaran wandte sich wieder an Aodán. »Gibt es noch weitere Zeugen für den Vorfall?«
Aodáns Miene verfinsterte sich. »Nein.«
»Hat jemand Kuhmist an Alasdairs Kleidung bemerkt?« Er zögerte, ehe er hinzufügte: »Oder an sonst etwas, das Alasdair gehört?«
Niemand meldete sich, obwohl Ciaran eine Weile wartete, um etwaigen Zeugen Zeit zu geben, sich zu besinnen. Schließlich sagte er: »Na schön. Es steht also Aodáns Wort gegen das von Alasdair. Ich wüsste wirklich nicht, warum ein verheirateter Mann Verkehr mit seiner Kuh wünschen sollte. Hingegen kann ich sehr gut verstehen, dass ein Mann auch andere Frauen außer seiner eigenen begehrenswert findet...«, Gekicher wurde laut, und seine Stimme nahm einen schärferen Klang an, »... auch wenn es sich dabei zufällig um meine eigene Schwester handelt. Daher halte ich Alasdairs Geschichte für die glaubwürdigere.« Er beugte sich vor und sah Aodán an. »Und du wanderst in den Stock, wenn du noch einmal eine so absurde Beschuldigung vorbringst.«
Wieder ertönte Gekicher. Aodán und Alasdair nahmen ihre Plätze wieder ein und tauschten feindselige Blicke.
Weitere Fälle wurden behandelt. Ciaran spürte, wie sich die Stimmung im Saal allmählich veränderte. All die, die sich anfangs gespannt vorgebeugt hatten, lehnten jetzt lässig mit dem Rücken an der Wand oder einem der Tische. Mit einem Blick brachte er ein paar Männer, die sich halblaut miteinander unterhielten, zum Schweigen. Sein Selbstvertrauen wuchs. Er war der Laird, und zwar nicht nur dem Titel, sondern auch der Tat nach.
Kurz nach der Gerichtssitzung wurde ihm das, was er am heutigen Tag getan hatte, im vollen Ausmaß bewusst. Als er die große Halle verließ, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Ihm wurde klar, dass die Strafmaßnahmen, die er angeordnet hatte, just in diesem Moment tatsächlich ausgeführt wurden. Er machte sich auf den Weg zu seiner Kammer, doch als er die Stufen des Westturmes emporstieg, stellte er fest, dass seine Hände zitterten. Langsam begann er zu begreifen, über welche Macht er jetzt verfugte. In seiner Kammer kniete er vor seinem Bett nieder und presste die Stirn gegen die zusammengefalteten Hände. In diesem Moment vermisste er seinen Vater mehr denn je.
»Wo soll ich das hinstellen, Sir?«
Ciaran blickte erschrocken auf und erhob sich. Einer der Burgwächter war von der Obermagd beauftragt worden, die Kisten aus dem Büro des Lairds hierher zu schaffen, und nun stand er mit mürrischem Gesicht in der Tür. Die Burgwache bestand aus angeheuerten Schwertkämpfern - erfahrenen Kriegern, die dafür bezahlt wurden, das Tal vor Übergriffen rivalisierender Clans zu beschützen und die Männer waren nie erbaut, wenn ihnen niedere Arbeiten abverlangt wurden. Der Wachposten hatte die Lippen ärgerlich zusammengepresst und blickte Ciaran böse an, doc Ciaran achtete nicht darauf.
Er nahm sich zusammen und deutete auf den Tisch unterhalb der nach Osten hinausgehenden Fenster. Darauf und darunter stapelten sich bereits zahlreiche Kisten, die mit
Kontobüchern.
Dokumenten, Gedichtbänden und Weinflaschen gefüllt waren. Ciaran griff nach dem vogelähnlichen Spielzeug, das ebenfalls in einer der Kisten lag, und drehte es in den Händen. Brigid und das Schwert des Königs lagen vorerst einmal auf dem dicken Bärenfell auf seinem Bett. Das Umräumen hatte den größten Teil des Morgens in Anspruch genommen, würde aber bald beendet sein. Ciaran blickte sich um und fragte sich, wo er den ganzen Kram unterbringen sollte.
Der Wächter stellte die Kiste auf den Boden, wurde entlassen und verließ den Raum. Ciaran legte das Holzspielzeug beiseite, kramte kurz in der Kiste herum und schob sie dann an die Wand, um etwas Ordnung in seiner Kammer zu schaffen. Der große Raum war zu einem Labyrinth aus schmalen Wegen zwischen Truhen und Kisten geworden.
»Im Nordturm steht eine Kammer leer.« Calum stand an der Tür. Ciaran blickte auf. »Da hättest du meiner Meinung nach den Sassunach unterbringen sollen, nicht in Pas Büro.«
»Es ist jetzt mein Büro, kleiner Bruder.« Ciaran war nicht in der Stimmung, sich mit seinem Bruder herumzustreiten. Die fünf
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