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Lee, Julianne

Lee, Julianne

Titel: Lee, Julianne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Schwert der Zeit 04 - Die Erfüllung
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eingerichtet wie ihre eigene Kammer. Diese Schotten hatten wenig Fantasie, was Möbelstücke betraf, und noch weniger Geschmack. Das große Bett war aus Eichenholz geschnitzt, der Schrank wies ein holländisches Muster auf, das im vorigen Jahrhundert sehr beliebt gewesen war, Tisch und Stuhl bestanden aus grobem Kiefernholz. Leah nahm auf dem Stuhl Platz, hob das Kinn und wandte sich an ihren Vater.
    »Ein Glück, dass der Laird dir sein Büro überlassen hat Hier könntest du wohl kaum arbeiten.«
    Vater gab ein unbestimmtes Grunzen von sich, wahrend er sich im Raum umsah. »Mag sein. Aber manchmal denke ich, ich würde lieber wegen jeder Kleinigkeit zur Garnison hinüberreiten, statt mich in diesem Büro aufzuhalten. Irgendetwas daran gefallt mir nicht. Manchmal könnte ich fast schwören, dass mich die Fee auf dem Gobelin gegenüber vom Schreibtisch beobachtet.«
    Leah konnte nicht anders, sie musste lächeln. »Vater, wenn du zu viel Zeit dort verbringst, verwandelst du dich am Ende noch selbst in einen Schotten. Früher hast du für solche Ammenmärchen nur Hohn und Spott übrig gehabt.«
    Ihr Vater verzog die Lippen, und seiner Stimme hörte sie an, dass es ein Fehler gewesen war, ihn zu necken. »Kümmre dich nicht darum, was ich glaube oder nicht glaube. Sag mir lieber, was dich hergeführt hat. Heraus mit der Sprache, und dann ab mit dir. Ich habe morgen einen anstrengenden Tag vor mir und brauche meinen Schlaf.«
    Jetzt wusste Leah nicht, wie sie beginnen sollte. Was ihr auf der Seele lag, konnte sie nicht in zwei Sätzen erklären. Aber sie wollte unbedingt eine Antwort von ihm haben - falls er sich nicht strikt weigerte, über dieses Thema mit ihr zu sprechen. Sie überlegte kurz, dann sagte sie schlicht »Vater, ich vermisse Mutter so sehr.«
    Ein überraschter Ausdruck trat auf sein Gesicht, aber er senkte den Blick, ehe sie in seinen Augen lesen konnte. Seine Stimme klang hart. »Ist das alles, was du vorbringen wolltest?« »Ist es denn nicht genug?«
    »Und was erwartest du jetzt von mir?« Noch immer sah er sie nicht an.
    »Wir haben nie über sie gesprochen.«
    »Manche Dinge brauchen nicht ausgesprochen zu werden.«
    »Man sollte sie aber auch nicht totschweigen. Du sprichst nie von ihr. Fast kommt es mir so vor, als wärst du froh, dass sie tot ist.«
    Jetzt drehte er sich zu ihr um. Seine Augen loderten vor Zorn. »Wie kannst du es wagen?« Es wies auf die Tür. »Lass mich allein. Geh in deine Kammer zurück. Sofort.«
    Voller Angst sprang Leah auf und rannte zur Tür, blieb aber stehen, als er noch ein Mal das Wort ergriff.
    »Und merk dir eins, Tochter: Ich wünschte bei Gott, deine Mutter wäre noch am Leben und du bei ihr in London, dann würde mir dein kindisches Geschwätz erspart bleiben.«
    In diesem Augenblick ergriff Leah wie schon wenige Stunden zuvor die Flucht.
    In den nächsten Tagen ging sie ihrem Vater aus dem Weg, was erstaunlich leicht war. Während dieser Zeit bekam sie auch Ciaran nicht zu Gesicht. Ob er sie absichtlich mied, wusste sie nicht, aber es kam ihr fast so vor.
    Eines Morgens hörte sie unten im Burghof erregtes Stimmengewirr. Rasch trat sie an ein Fenster ihrer Kammer und spähte hinaus, stampfte aber enttäuscht mit dem Fuß auf, weil sie nur eine Schar Dienstboten aus der Burg erkennen konnten, die sich um einen wütend auf Gälisch schimpfenden Mann scharten. Wenn sie doch nur Englisch sprechen würden!
    »Bleib hier, Ida«, befahl sie kurz und eilte aus der Kammer, ohne auf die Einwände ihrer Zofe zu achten.
    Sie hastete die Wendeltreppe hinunter, dann den Gang zur großen Halle entlang und schließlich hinaus auf den Burghof. Doch als sie dort ankam, gab es nichts mehr zu sehen. Ein Stalljunge starrte sie aus stumpfen blauen Augen an; die Schweine in dem Pferch vor der Küche grunzten in der Hoffnung auf Futter erwartungsvoll, sonst blieb alles still. Niemand war zu sehen, den sie
    nach dem Grund für die Aufregung fragen konnte. Sogar der Wachposten am Tor stand nicht an seinem Platz.
    »Leah!«
    Sie fuhr herum und sah Vater aus der großen Halle kommen. Er blinzelte in die Morgensonne.
    »Vater, was ist passiert?«
    Er streifte seine Handschuhe über, wahrend er sie flüchtig musterte. »Nichts, was dich interessieren müsste.«
    Gekrankt hob Leah das Kinn. »Warum sollte es mich nicht interessieren? Schließlich lebe ich ja hier, oder nicht?«
    Er kniff die Augen zusammen und wandte sich ab, weil der Wachposten mit ein paar Pferden aus dem Stall kam.

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