Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lee, Julianne

Lee, Julianne

Titel: Lee, Julianne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Schwert der Zeit 04 - Die Erfüllung
Vom Netzwerk:
Christusfigur hing daran, das geschnitzte Gesicht vor Schmerz verzerrt. Jede Rippe hob sich plastisch hervor, die Wunden und das Blut wirkten geradezu lebensecht. Während sie die Figur betrachtete, musste sie an jenen Tag vor so langer Zeit und an die Qualen denken, die dieser Mann ausgestanden hatte. Der Anblick war schwer zu ertragen. Tranen traten ihr in die Augen.
    Leah zwinkerte unwillig, holte tief Atem und blickte sich weiter in der Kirche um. An einer Wand stand ein einzelner Betschemel, daneben ein Tisch, auf dessen Platte mehrere Kerzen befestigt waren. Im hinteren Teil des Raumes sah sie einen Beichtstuhl ohne Vorhänge. Die kalte Leere der Kirche jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
    Plötzlich knarrte die Tür hinter ihr, und sie fuhr erschrocken herum. Vermutlich war einer der Soldaten gekommen, um sie zur Garnison zurückzubringen - doch stattdessen stand der junge Laird vor ihr.
    Bei ihrem Anblick verhielt er wie angewurzelt und starrte sie mit ausdrucksloser Miene an. Leah brachte keinen Ton heraus. Sie wagte nicht, sich zu rühren, obwohl sie am liebsten Hals über Kopf die Flucht ergriffen hätte. Sie war ein Eindringling, sie hatte hier nichts verloren, und sicherlich war er nicht sehr erfreut, sie hier zu sehen. Doch statt fortzulaufen blieb sie stehen und wartete darauf, dass er etwas sagte.
    Aber er wandte sich wortlos ab, ging zu dem Betschemel hinüber, bekreuzigte sich und kniete dann darauf nieder. Dann nahm er ein pechgetränktes Binsenlicht vom Tisch, entzündete es mit Hilfe eines Feuersteins und hielt es an eine der Kerzen. Schließlich blies er das Binsenlicht aus und senkte den Kopf zum Gebet
    Da es keine Stühle gab, blieb Leah schweigend stehen, weil sie es als unhöflich empfand, die Kirche zu verlassen, ehe er sein Gebet beendet hatte. Sie drehte sich um und bewunderte erneut das kunstvolle Muster der Fensterrosette. , - ·
    Endlich hob der Laird den Kopf, erhob sich von dem Betsche-
    mel und rieb sich die taub gewordenen Knie. Dann blies er die Kerze aus und wandte sich zur Tür. Einen Moment lang dachte Leah, er werde die Kirche verlassen, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen, doch dann blieb er stehen und drehte sich zu ihr um. Seinem Gesicht war anzusehen, dass er einen Entschluss gefasst hatte, als er langsam auf sie zukam.
    »Ich muss Euch um Entschuldigung bitten«, sagte er förmlich. »Ich war unnötig grob zu Euch, als wir das letzte Mal miteinander sprachen. Es tut mir Leid.«
    Sie lächelte. »Ich nehme Eure Entschuldigung an. Ich glaube nicht, dass mein Stolz bleibende Schäden davongetragen hat.«
    Statt ebenfalls zu lächeln, wie sie erwartet hatte, seufzte er nur und nickte dann. Eine Weile herrschte unbehagliches Schweigen, dann deutete er auf das Kruzifix. »Ich nehme nicht an, dass Ihr gekommen seid, um zu konvertieren.«
    Leah schüttelte den Kopf, obwohl sie wusste, dass er nur einen Scherz gemacht hatte. »Ich wollte mir nur dieses Fenster ansehen.« Dabei wies sie auf das Buntglasfenster. »Es ist fast ein Wunder, dass es unversehrt geblieben ist.« »Allerdings.«
    Er zuckte die Schultern und neigte den Kopf verschwörerisch zu ihr hin. »Ein Glück, dass Ihr nicht zu unserem Glauben übertreten wollt, es gibt nämlich schon lange keinen Priester mehr im Tal. Ihr habt wenigstens noch Euren Kompaniekaplan, mit dem Ihr gelegentlich beten könnt.«
    »Habt Ihr denn überhaupt keinen geistlichen Beistand? Ich hoffe doch sehr, dass Ihr wenigstens getauft worden seid.«
    Ciaran richtete sich auf. »Aye, aber in Edinburgh, wo ich geboren bin.«
    »In Edinburgh? Vom einem römisch-katholischen Priester?« Jetzt runzelte er die Stirn. »Och, das weiß ich nicht, ich war zu jung, um mich zu erinnern. Aber viele Leute hier in der Gegend sind nur von einer Hebamme getauft worden, weil es seit fast dreißig Jahren keinen Priester mehr gibt.«
    »Aber Ihr sprecht doch noch immer Eure alten katholischen Gebete?«
    »Natürlich tun wir das.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. Jetzt wirkte er sichtlich gereizt, was sie bedauerte. Sie hatte ihn nicht verärgern wollen. »Warum sollten wir unserem Glauben abschwören? Das wäre euch Protestanten gerade Recht, nicht wahr? Wenn wir uns euren Geistlichen zuwenden würden!« Sein Gesicht war rot angelaufen, er stemmte die Hände in die Hüften und beugte sich zu ihr, sodass sie unwillkürlich einen Schritt zurückwich. »Deswegen habt ihr ja wohl auch Vater Turnbull verhaftet.«
    Obwohl sie innerlich zu

Weitere Kostenlose Bücher