Lee, Julianne
Schlacht ziehen, kann ich nicht fallen.« Es gab ja schließlich noch so etwas wie freien Willen. Nichts, was in einem Geschichtsbuch geschrieben stand, konnte ihn zu irgendetwas zwingen. »Ich werde den Clanführern meine Entscheidung mitteilen.«
Sinann nickte. »Eine weise Entscheidung.«
Die Clanführer in der großen Halle zusammenzurufen, um über eine Revolte gegen die Krone zu diskutieren, wäre der Gipfel der Dummheit gewesen, wo ihnen die englische Armee so dicht im Nacken saß. Jedwede Aktivität, für die es keine plausible Erklärung gab, würde das Misstrauen der Soldaten wecken; Verhöre und Verhaftungen wären die unabwendbare Folge. Ciaran faltete den Brief wieder zusammen, schob ihn in sein Hemd zurück und machte sich auf die Suche nach Robin Innis.
Der alte Mann saß in der großen Halle und wärmte sich am Kamin. Ciaran ging zu ihm hinüber, stellte sich neben ihn und senkte den Kopf, als wolle er sich gleichfalls aufwärmen, dann murmelte er auf Gälisch: »Geh zur Whiskybrennerei und warte dort auf mich.«
Dasselbe teilte er Eóin, Gregor, Dùghlas, Seumas Glas, Donnchadh, Keith Ròmach und Aodán mit. Diese Männer mussten seinen Entschluss, sich nicht am Kampf zu beteiligen, unterstützen.
Die Brennerei war in einer zwischen steilen Felsen im Wald hinter dem Torfmoor gelegenen Höhle versteckt. Da sie zu Fuß nur schwer und zu Pferde gar nicht zugänglich war, verirrten sich die berittenen Patrouillen von der Garnison niemals dorthin. Um zu der Höhle zu gelangen musste man den Pfad, der südlich aus Glen Ciorram herausführte, einschlagen und zum Torfmoor hinaufsteigen. An dem kleinen Bach, der im südlichen Hochtal entsprang, verließ man dann diesen Pfad und folgte dem Wasserlauf tiefer in den Wald hinein. Inmitten der Bäume, die zu jeder Jahreszeit kaum Sonnenlicht durchließen, gelangte man über einen steilen, tückischen Granitpfad zu einer Stelle, wo das Gestein eine kleine Ebene bildete, ehe es sich erneut zu einer unglaublich steilen Felswand erhob. Hinter dieser ebenen Fläche lag die Höhle, in der die in diesem Jahr gebrannten Fässer versteckt waren. Vor der Höhle brannte ein Torffeuer unter dem Destillierapparat, in dem jedes Jahr die ausgekeimte Gerste gemalzt wurde. Dort hatten sich die von Ciaran zusammengerufenen Männer versammelt.
Ciaran saß auf einem Felsvorsprung beim Höhleneingang, die anderen acht Clansleute hatten sich um ihn geschart. »Ich habe einen Brief vom Stuartprinzen erhalten«, begann er.
Ein erregtes Gemurmel lief durch die Gruppe. »Er ist demnach gelandet«, bemerkte Seumas Glas.
»Aye, er ist gelandet. Wo, weiß ich allerdings nicht. Er wünscht,
dass wir uns ihm anschließen, aber ich habe beschlossen, dass wir das nicht tun werden.«
»Es ist unsere Pflicht«, widersprach Dùghlas.
Ciaran warf ihm einen scharfen Blick zu. Mit einer Auseinandersetzung hatte er nicht gerechnet. »Du hast doch gehört, was ich gesagt habe. Wir gehen nicht.«
»Du handelst gegen den Willen deines Vaters. Er wäre in den Kampf gezogen, denn er hasste die Sassunaich mit jeder Faser seines Herzens. Ihm lag sein Clan am Herzen, dir offensichtlich nicht.«
Das traf Ciaran tief. Er stemmte die geballte Faust in die Seite. »Er wäre nicht in die Schlacht gezogen, denn er wusste...« Jetzt fehlten ihm die Worte, denn er konnte den anderen nicht verraten, woher Dylan Dubh seine Kenntnisse gehabt hatte. Hastig beendete er den Satz mit der lahmen Ausrede: »Er wusste, dass es das Beste wäre, uns aus der Sache herauszuhalten.« Missbilligendes Geraune erhob sich, und Ciaran fuhr fort: »Ihr habt alle gehört, wie er diese Meinung vertrat.«
»Er hat uns nur geraten, ruhig zu bleiben, um nicht die Aufmerksamkeit der Rotröcke auf uns zu lenken.«
»Ich bin sein Sohn, und ich denke, ich weiß besser als ihr, was er wollte. Außerdem bin ich jetzt der Laird.«
Gregor ergriff das Wort. »Nun, daran gab es ja einige Zweifel, nicht wahr? Es gibt Leute, die der Meinung sind, dass du weder Dylan Dubhs Sohn noch der rechtmäßige Laird bist.«
Ciaran brach der kalte Schweiß aus. Er erhob sich und funkelte Gregor finster an. »Hüte deine Zunge, Vetter.«
Gregor sprang gleichfalls auf, sah Ciaran an und schob das Kinn vor. »Calum mag ja im Torhaus sitzen, aber er hat klar und deutlich gesagt, dass er an deiner Stelle dem Wunsch seines Vaters Folge leisten und die Sassunaich bei jeder Gelegenheit bekämpfen würde.«
Ein böser Verdacht keimte in Ciaran auf und wurde
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