Lee, Julianne
Gesten schloss Leah, dass sich das Gespräch um die Tiere drehte.
Als sie näher kam, blickte Ciaran auf, stutzte und sah sie genauer an. In seinen Augen las sie dieselbe Anerkennung wie in denen der Schneiderin, doch dazu kam ein persönliches Interesse, das in ihrer Magengegend ein leises Kribbeln auslöste. Er nahm den Weidenzweig aus dem Mund.
»Es steht Euch gut.«
Leah verlangsamte ihre Schritte und ging auf ihn zu. Dabei presste sie das Leinenpäckchen gegen ihre Brust, denn ohne ihr fischbeinverstärktes Mieder kam sie sich fast nackt vor. »Danke. Das ist sehr nett von Euch.«
»O nein. All diese Männer hier werden Euch versichern, dass ich in dieser Hinsicht der ungehobelteste Flegel im ganzen Tal bin.« Sein Bruder und der Kaufmann nickten. Letzterer zeigte ein breites, zahnloses Grinsen, doch der Mann mit dem Stab schien kein Wort verstanden zu haben und wartete darauf, dass wieder Gälisch gesprochen wurde. Der Junge redete rasch auf ihn ein, übersetzte anscheinend Ciarans Bemerkung, und nun begann auch der alte Mann zu kichern.
»In welcher Hinsicht denn? Im Hinblick auf Frauen im Allgemeinen oder nur auf englische Frauen?«
Ciarans Augen umwölkten sich, doch seine Stimme klang weiterhin unbefangen. »Im Hinblick auf alles, was ich nicht mag« Dabei spielte ein leises Lächeln um seine Mundwinkel.
Obwohl sie sich alle Mühe gab, es zu unterdrücken, musste sie gleichfalls lächeln. »Ich weiß Eure Aufrichtigkeit zu schätzen.«
Seine Augen leuchteten auf, und obwohl er versuchte, ihr ins Gesicht zu sehen, wanderte sein Blick unwillkürlich über ihren Busen und ihren Bauch. Das Kleid unterstrich ihre Kurven, statt sie einzuzwängen.
Dann hob er wieder den Kopf und entgegnete schlicht: »Ich die Eure auch.«
Sie nickte nur. Am liebsten hätte sie ihn in die Arme genommen und geküsst, sie beherrschte sich aber in Anwesenheit der anderen Männer, verabschiedete sich von allen und kehrte in die Burg zurück.
Ciaran sah ihr nach, bewunderte den sanften Schwung ihrer Hüften und ihre schmale Taille. Gerade ohne das enge Mieder war sie wunderschön. Er konnte den Blick kaum von ihr abwenden.
Tief Atem holend, wandte er sich wieder zu Robbie, Robin und Seumas um und stellte fest, dass sie ihn anstarrten. Robbie hatte den Kopf zur Seite gelegt und wirkte verwirrt, Seumas kämpfte gegen einen Lachreiz an, und Robin zog zweifelnd die Brauen zusammen.
»Och«, meinte Ciaran, »sie ist Balsam für die Augen eines Mannes, das könnt ihr nicht leugnen.«
»Und für andere Teile seines Körpers auch, würde ich sagen«, fügte Robin hinzu.
Seumas' Augen glitzerten. »Dann ist es ja gut, dass ihr beide so
aufrichtig zueinander seid.«
Robbie brauchte einen Moment, ehe er begriff, was Seumas
meinte. »Heißt das, dass sie dich ... mag?«
Robin grunzte. »Gibt es ein Mädchen im Tal, das Ciaran
nicht... mag?«
Seumas lachte laut auf, doch Ciaran schüttelte den Kopf. »Das heißt nur, dass sie mich nicht hasst. Uns nicht hasst. Uns Schotten
und Katholiken.«
Die Männer verstummten und sahen Leah nach, wie sie über die Zugbrücke ging. Dann sagte Robbie leise: »Nun, das ist doch schon einmal etwas.«
Die Nachrichten über Prinz Charles wurden immer spärlicher, die Gespräche in Hadleys Büro ergaben so gut wie nichts Neues. Doch dann traf im August ein Besucher für den Laird ein und wurde in der großen Halle empfangen.
Ciaran betrat die Halle, wo der junge Mann wartete und dabei ständig zu den Rotröcken hinüberschielte, die am Eingang Wache hielten. Er trug einen Kilt und ein schmutziges, zerlumptes Hemd. Ciaran kannte ihn nicht, aber seine Nervosität ließ darauf schließen, dass er sich etwas zu Schulden hatte kommen lassen. Ein Blick zu den Wachposten bestätigte ihm, dass ihnen das unnatürliche Benehmen des Besuchers ebenfalls aufgefallen war.
»Hallo, da bist du ja!«, rief ihm Ciaran quer durch den Raum zu und breitete die Arme aus, als wolle er einen guten Freund begrüßen. Obwohl der verwirrte Gesichtsausdruck des Burschen verriet, dass er kein Englisch sprach, fuhr Ciaran fort: »Wie war die Reise? Nicht zu anstrengend, hoffe ich.« Er gab dem Besucher einen kräftigen Schlag auf die Schulter und führte ihn vom Eingang weg. »Setz dich und ruh dich aus.« Er drückte den Mann auf seinen eigenen Stuhl, der am Feuer stand, zog sich dann einen Schemel heran und nahm neben ihm Platz.
Dann senkte er seine Stimme zu einem leisen Flüstern und fragte auf Gälisch: »Wer bist
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