Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
ihn empört an, doch der Sprecher ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. »Ich schlage vor, dass wir den morgigen Tag abwarten. Captain yos’Galan wird gewiss so zuvorkommend sein und Ihnen sämtliche Details erklären.«
Die Luft schien vor Hochspannung zu knistern, ehe der erste Herr sich vor dem zweiten verbeugte. »Davon gehe ich aus«, sagte er leise. Er wandte sich wieder an die Hafenmeisterin und verneigte sich abermals vor ihr, dieses Mal tiefer. »Ich danke Ihnen für Ihre Freundlichkeit und bitte im Namen meines Clans um Verzeihung. Verträge müssen selbstverständlich eingehalten werden. Ich verbürge mich persönlich dafür, dass Versäumnisse dieser Art in Zukunft nicht mehr vorkommen.«
Ohne eine Spur von Mitleid dachte die Hafenmeisterin daran, was dem Händler der Daxflan blühen mochte. Den Zorn, der in den Augen des alten Herrn blitzte, hatte er verdient.
»Selbstverständlich bin ich froh, dass diese Krise so schnell gemeistert wurde. Ich werde nicht vergessen, dass Ihr erster Gedanke unserem Problem galt und wie es zu lösen wäre.« Sie stand auf und verneigte sich vor beiden Männern. »Es war mir ein Vergnügen, mit Ihnen zu sprechen. Mögen wir einander wieder begegnen.«
»Mögen wir einander wieder begegnen«, wiederholte der zweite Gentleman und machte eine vollendete Verbeugung. Dann bot er seinem Begleiter den Arm und geleitete ihn vorsichtig zur Tür.
Die Hafenmeisterin nickte ihrem Gehilfen zu. »Geben Sie mir Bescheid, wenn die Dutiful Passage in den Orbit einschwenkt. Ich denke, ich sollte Captain yos’Galan begrüßen -persönlich.«
Raggtown, Ortsjahr 537
D ie Summe war enorm. Captain yo’Vaade, die neben dem Händler stand, hatte Mühe, die Fassung zu wahren. Die Geschäfte in Drethilit hatten ihnen nicht einmal die Hälfte des geforderten Betrages eingebracht, außerdem mussten sie in der Hafenmeisterei die Kosten für den ungenutzten Ankerplatz begleichen. Die Güter waren fort, das bedeutete einen zusätzlichen Verlust, und in Theopholis standen auch noch einige Rechnungen offen.
»Was soll das heißen, die Ware ist nicht mehr hier?« Sav Rid hob seine Stimme in einer Art und Weise, die sie zu fürchten gelernt hatte. »Sie präsentieren mir eine saftige Rechnung für Lagerkosten, und im selben Atemzug erzählen Sie mir, die Güter befinden sich nicht in Ihrem Depot. Wo steckt das Zeug?«
Der terranische Lagerverwalter zuckte mit seinen breiten Schultern. »Sie tauchten nicht auf, der Kunde wurde nervös und bat jemand anders, die Sachen zu befördern. Gestern wurden die Container verschifft.«
»Mit welchem Recht – wer hat das Zeug mitgenommen? Auf welchem Schiff befindet es sich? Das ist glatter Diebstahl!«
Abermals hob und senkte der bullige Kerl die Schultern. »Das müssen Sie schon mit Ihrem Kunden, Mac, ausmachen. Der Baum und der Drache holten die Waren ab. Und nun zu den Kosten …«
»Der Baum und der Drache«, wiederholte Sav Rid fassungslos. Dann brüllte er so unbeherrscht los, dass sein Trade kaum noch zu verstehen war. »Yos’Galan! Alles Diebe, Huren und Idioten! Meine Fracht! Mein Geld! Und Sie überlassen das Zeug einfach yos’Galan? Sie Idiot, Sie!« Er zerriss die Rechnung, schleuderte dem völlig verdatterten Mann die Fetzen ins Gesicht und stürmte los, weder nach rechts noch nach links blickend.
Chelsa yo’Vaade zögerte; sie war versucht – ernsthaft versucht –, ihn laufen zu lassen. Dann wandte sie sich hastig an den Lagerverwalter, streifte den Familienring vom Finger und löste das schwere, ziselierte Armband von ihrem Handgelenk. »Der Schmuck ist antik«, haspelte sie herunter und drückte dem Burschen die Pretiosen in die Hand. »Wenn Sie ihn an einen Sammler verkaufen, machen Sie vielleicht noch einen Gewinn.« Ohne ein weiteres Wort rannte sie los.
Sav Rid eilte mit langen Schritten über das Shuttlefeld, begleitet vom Zweiten Maat, Dagmar Collier. Chelsa hielt ihn am Ärmel fest. »Sav Rid! Cousin, ich bitte dich – mach keine Dummheiten. Es ist bei dir schon eine Obsession. Setz dem ein Ende. Sofort. Erkläre einfach, dass ihr jetzt quitt seid.«
»Wir sollen quitt sein?« Er schüttelte ihre Hand ab; seine Lippen waren verkniffen, in den Augen glomm ein gefährliches Feuer. »Quitt? Soll ich mich von diesem froschgesichtigen halbterranischen Dummkopf in die Tasche stecken lassen? Yos’Galan ist der Grund, weshalb wir bei jedem wirtschaftlichen Unternehmen, das wir in die Wege leiten, nur Verluste
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