Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
Sie seien in dem Echo gefangen.«
Er schnaubte durch die Nase. »Seit ich zwölf Jahre alt war, habe ich mich nicht mehr in einem Echo verheddert, Priscilla. Sie dürfen mir ruhig etwas mehr Geschicklichkeit zutrauen.«
»Ja, sicher …« Aber die derzeitige Situation hatte etwas Alptraumhaftes an sich … wie er so neben ihr saß und sie keine Schwingungen hören, keinerlei Emotionen wahrnehmen konnte … »Shan …«
Er beugte sich vor und streckte die Hand aus; die Facetten des Meisterrings blitzten. »Ich bin bei Ihnen, meine Freundin.«
Seine Stimme und seine Mimik drückten Besorgnis aus; doch in seinem Inneren herrschte nur diese schreckliche, unnachgiebige Kälte. Sie griff nach seiner Hand, die sich warm anfühlte. Aber das war nicht genug. »Shan …«
»Ich bin sehr müde, Priscilla«, entgegnete er freundlich. »Es ist schon lange her, seit ich das letzte Mal alle nach außen führenden Pfade beschreiten musste. Gönnen Sie mir ein bisschen Ruhe.« Er blickte ihr ins Gesicht und drückte ihre Hand. »Ich stehe schon wieder in Ihrer Schuld.«
»Bitte«, hob sie an, unterbrach sich und atmete tief durch. Sie fand eine Formulierung in Hochliaden. »Bitte, schenken Sie dem keinerlei Beachtung.«
Sachte entzog er ihr seine Hand. »Ich merke schon, Kayzin ist eine tüchtige Lehrerin.« Ein rascher Blick auf die Armaturen zeigte ihm das blinkende weiße Licht, das die Annäherung eines Flugobjektes signalisierte. »Die Passage ist in den Orbit eingeschwenkt. Wunderbar. Lassen Sie uns nach Hause fliegen.«
»Nach Hause.« Sie spürte seine Erleichterung und hörte seine Sehnsucht heraus, obwohl er sich hinter seiner privaten Spiegelwand verschanzte.
»Ja, Shan«, erwiderte sie, um sich gleich darauf hastig zu korrigieren. »Jawohl, Captain!«
Schiffsjahr 65, Reisetag 177, Zweite Schicht, 3.00 Uhr
V erblüfft starrte Ken Rik ihn an. »Ich soll Laderaum Zweiunddreißig für die Aufnahme von Fracht vorbereiten?«, fragte er schließlich.
Shan hob die Augenbrauen und blickte hochnäsig auf den Frachtmeister hinab. »Sie sind der Aufgabe doch gewachsen, Ken Rik, nehme ich an? Oder ist Laderaum Zweiunddreißig bereits voll?«
»Nein, das ist er nicht!«, schnappte der alte Mann. »Wie Sie sehr wohl wissen. Und diesen … diesen – ah, was für eine fürchterliche Sprache! – Lanza pel’shek nehmen Sie nicht mit! Ausgerechnet seine Fracht!«
»Ach, das tue ich nicht? Nun, das ist gut zu wissen, vielen Dank, Meister Ken Rik. Bitte korrigieren Sie mich, falls ich mich irre, aber bis jetzt hatte ich den Eindruck, dass ich diese spezielle Ladung auf jeden Fall befördern würde.« Er legte eine Pause ein, ehe er mit sanfter Stimme die Pointe lieferte. »Außerdem lebte ich im Glauben, dass der Frachtmeister die Befehle vom Captain entgegennimmt … und nicht umgekehrt.«
In Ken Riks Augen schimmerten Tränen. »Shan – er hat versucht, die Passage zu zerstören.« Er benutzte die Hochsprache, wie ein Ältester einem Jüngling aus einem anderen Clan gegenüber. »Und jetzt transportieren Sie seine Fracht und garantieren die Lieferung! Ihr Vater …«
»Mein Vater hätte genauso gehandelt!«, ergänzte Shan in eiskaltem Terranisch. »Das hat nichts mit Schuldtilgung zu tun. Die Waren werden auf Theopholis dringend gebraucht. Die Hafenmeisterin wandte sich in ihrer Not ans uns. Wir sorgen dafür, dass die Güter ankommen – weil es sich um einen Notfall handelt. Wir fliegen doch nach Theopholis, nicht wahr, Ken Rik? Nehmen Sie Vernunft an, es geht hier um eine Hilfeleistung. Man würde uns als ein Rudel Haie betrachten, wenn bekannt würde, die Passage hätte Raggtown angelaufen und sich trotz inständiger Bitten geweigert, die Ladung mitzunehmen.«
»Ja, sicher.« Er flüsterte die Worte, aber in Terranisch. Dann verneigte er sich, wie ein Schüler vor seinem Lehrer. »Verzeihen Sie mir …«
»Ach, hören Sie schon auf, Sie lästiger alter Kerl! Seit Jahren nörgeln Sie an mir herum! Ich bitte Sie, fangen Sie nicht auf einmal an, sich korrekt zu benehmen!«
Ken Rik lachte. »Das würde mir sehr schwer fallen, ich gebe es zu.« Er verbeugte sich ein zweites Mal, ein Untergebener, der seinem Vorgesetzten Respekt zollt. »Wenn der Captain es erlaubt, werde ich unverzüglich Laderaum Zweiunddreißig für die Aufnahme der Fracht herrichten.«
»Vielen Dank, Ken Rik«, erwiderte Shan freundlich. »Ich weiß Ihre Mithilfe zu schätzen.«
Turm der Hafenmeisterin, Theopholis, Stunde der
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