Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2

Burschen das nächste Mal sehe, werde ich ihn darauf ansprechen …« Er richtete den Blick wieder auf den Monitor und fing an, leise vor sich hin zu summen.
    Priscilla umklammerte die Armstützen des Stuhls und versuchte, die Provokation – sofern es denn eine war – zu übergehen. Aus Angst, etwas Falsches zu sagen, hüllte sie sich lieber in Schweigen. Sollte der Captain ruhig den größten Teil des Gesprächs bestreiten – sie hatte ohnehin den Eindruck, dass er sich selbst gern reden hörte.
    Er drückte die Schultern durch, tippte zum Abschluss energisch auf eine Taste, um sich gleich darauf wieder entspannt zurückzulehnen. »Sie haben keine Pilotenlizenz? Das muss sich ändern. Lassen Sie mich kurz nachrechnen … achtundvierzig Besatzungsmitglieder, einschließlich des Captains – und nur acht sind autorisierte Piloten. Viel zu wenig. Sie müssen Unterricht nehmen, Ms. Mendoza, ich bestehe darauf. Jede neunte Schicht haben Sie sich zwecks Übungsstunden auf der Brücke einzufinden.«
    »Moment mal.« Sie holte tief Luft. »Sie stellen mich ein? Als Pilotin?«
    »Als Pilotin?«, wiederholte er verdutzt. »Nein, wie könnte ich? Sie sind doch keine Pilotin, Ms. Mendoza, oder? Und um dem abzuhelfen, müssen Sie Unterricht nehmen. Das Ausstellen des Zertifikats, sofern Sie sich qualifizieren, wird kein Problem sein. Ich bin Meisterpilot, alle Klassen … Stimmt was nicht?«
    »Verzeihen Sie«, warf sie vorsichtig ein. »Ich dachte, Sie seien Captain. Und dann natürlich Meisterhändler. Sie sind auch noch Pilot?«
    »Ein bisschen von diesem, ein bisschen von jenem. Immerhin ist die Passage ein Familienunternehmen. Eigner und Betreiber ist der Korval-Clan. Und die Fliegerei liegt uns sozusagen im Blut. Als ich sechzehn Standardjahre alt war, erhielt ich offiziell meine Lizenz als Pilot Erster Klasse – die Prüfungen hatte ich natürlich schon viel früher abgelegt. Als ich vierzehn war, steuerte ich zum ersten Mal allein dieses Schiff aber die Regeln sehen nun mal vor, dass jemand erst mit sechzehn Standards das Zertifikat bekommt. Aber was ich eigentlich sagen wollte – was wollte ich denn sagen? Ach ja! Da ich selbst Meisterpilot bin, wird es mit der Ausstellung Ihrer Pilotenlizenz keine Verzögerung geben, sowie sie die erforderlichen Tests bestanden haben. Sind Sie auch ganz sicher, dass Sie keine Pilotenlizenz besitzen, Ms. Mendoza? Vielleicht eine Autorisierung Dritter Klasse?«
    »Ich bin mir absolut sicher, Captain.« Ihr ging alles viel zu schnell; der Wortschwall brachte sie aus der Fassung. »Welche Position hatten Sie mir auf diesem Schiff zugedacht?«
    »Hmmm? Oh – ich ernenne Sie zur Verwalterin des Streichelzoos.«
    »Des Streichelzoos?«
    »Wir verfügen hier über einen sehr schönen Streichelzoo, der der Bibliothek angeschlossen ist«, erwiderte er ernst. »Und nun zu den Details. Die Hälfte unserer Route haben wir fast hinter uns. Ich kann Ihnen eine Pauschalheuer von Jankalim nach Solcintra anbieten – ungefähr ein Zehntel-Cantra beim Andocken. Danach erhalten Sie zusätzlich den Anteil, der jedem Crewmitglied zusteht, sollte das Schiff irgendeinen Bonus einheimsen; die Höhe der Sonderzulagen und Belohnungen für das Aufspüren von lukrativen Waren ist für alle gleich und richtet sich nach dem Erlös für die gefundenen Güter und der Anstrengung, die nötig war, die Chance zu ergattern. Über derlei Angelegenheiten wird abgestimmt, und es gilt der Mehrheitsbeschluss, den die Crew gefasst hat.« Er hob sein Glas. »Noch irgendwelche Fragen?«
    Unzählige Fragen lagen ihr auf der Zunge, doch nur eine einzige davon sprach sie aus. »Warum«, erkundigte sie sich gereizt, »fuchteln Sie ständig mit dem Glas herum, ohne je einen Schluck zu trinken?«
    Er schmunzelte. »Aber ich trinke doch. Jedenfalls manchmal. Weitere Fragen?«
    Sie seufzte. »Was wird mich die Pilotenausbildung kosten?«
    »Wenn Sie es versäumen, sich jede neunte Schicht zum Unterricht einzufinden, zieht der Captain Ihnen einen Zwanzigbit ab. Dreimaliges unentschuldigte? Fehlen hat die sofortige Kündigung unseres Vertrags zur Folge. Sie müssen verstehen, Ms. Mendoza, dass Ihr Pilotentrainig ein wesentlicher Bestandteil Ihrer Pflichten ist, solange Sie ein Mitglied dieser Crew sind. Pflichtversäumnisse werden von mir streng geahndet – in dieser Hinsicht kenne ich keinen Pardon.« Er legte eine Pause ein, und seine hellen Augen musterten forschend ihr Gesicht. »Sie haben mich verstanden?«
    »Ja, Captain.«