Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
Sie biss sich auf die Lippe. »Es ist nur so, dass ich bis jetzt auf jedem anderen Schiff, auf dem ich diente, für das Training bezahlen musste – und es in meiner Freizeit absolvierte. Und auf der Daxflan verweigerte man mir die Erlaubnis, das Training fortzuführen.«
»Sav Rid, Sav Rid.« Er schüttelte den Kopf. »Aber hier befinden Sie sich nicht auf der Daxflan; bei uns herrschen andere Sitten. Nun denn. Das Schiff gibt Ihnen Kredit für neue Bekleidung, der Betrag wird Ihnen am Ende der Reise von der Heuer abgezogen. Kaufen Sie ein, was immer Sie brauchen. Ihr Supervisor wird Lina Faaldom sein, die an Bord den Posten der Chefbibliothekarin bekleidet.«
»Ich habe sie gestern Nacht kennen gelernt …«
»Ach, wirklich? Sie führt sie in den Streichelzoo ein – er wird geführt wie eine öffentliche Bibliothek, man kann die Tiere ausleihen – und erklärt Ihnen, was Sie zu tun haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Arbeit mit den Tieren Sie über Gebühr in Anspruch nimmt, deshalb müssen Sie sich für weitere Aufgaben, die gerade anfallen, zur Verfügung halten. Janice Weatherbee übernimmt Ihre Pilotenausbildung. Ist sie verhindert, weil sie anderweitig beschäftigt ist, springe ich für sie ein. Ich glaube, das wäre dann alles. Sind Sie mit den Bedingungen einverstanden?«
»Ja, Captain, ich halte die Bedingungen für sehr großzügig. Wenn ich daran denke, dass ich mir noch vor wenigen Minuten so gut wie sicher war, wieder nach Jankalim zurückgeschickt zu werden, kann ich mein Glück noch gar nicht fassen.« Sie hielt inne und sah ihm ins Gesicht. Irgendwann während der Unterredung war ihre Angst verflogen; nun fühlte sie sich völlig entspannt, und eine wohlige Wärme machte sich in ihr breit. »Ein offenes Wort, Captain – benötigen Sie wirklich jemanden, der sich um den Streichelzoo kümmert?«
»Nun, bis jetzt hatten wir noch niemanden«, erwiderte er und drehte den Monitor zu ihr um. »Also nehme ich an, dass wir jemanden für diesen speziellen Posten brauchen. Wenn Sie bitte Ihre Handfläche hier drauflegen würden?«
Shan yos’Galan saß zurückgelehnt in seinem Sessel, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, den Blick auf das Mobile aus Kristallen gerichtet, das in der hinteren Ecke des Raumes von der Decke hing. Auf seinem Gesicht lag ein verträumter, dümmlicher Ausdruck. Als die Tür mit einem leisen Zischen aufging, drehte er sich nicht um; er schien nicht einmal zu bemerken, dass er nicht mehr allein war.
Doch von derlei Äußerlichkeiten ließ Kayzin Ne’Zame sich nicht täuschen. Sie nahm auf dem Stuhl Platz, auf dem kürzlich noch Priscilla Mendoza gesessen hatte; sie saß kerzengerade da, ohne sich anzulehnen, und betrachtete stirnrunzelnd das Profil des Captains.
»Sie haben sie angeheuert?«, fragte sie in der Hochsprache, jede Silbe eisig betonend, um ihre Missbilligung kundzutun.
»Ich sagte bereits, dass ich die Absicht hätte, sie in die Crew aufzunehmen«, antwortete der Captain gedehnt auf Terranisch, das Mobile nicht aus den Augen lassend. Langsam drehte er seinen Sessel herum, nahm die Arme herunter und beugte sich nach vorn. »Was haben Sie auf dem Herzen, Kayzin?«
»Sie ist viel zu hübsch.« Die auf Terranisch geäußerten Worte klangen genauso frostig.
»Das ist doch nicht ihre Schuld, oder? Niemand kann sich sein Gesicht aussuchen. Falls doch, dann wüsste ich gern, warum mich keiner darauf hingewiesen hat.«
Die ältere Frau musterte ihn mit einer Miene, die bereits hart an Belustigung grenzte … als müsste sie an sich halten, um nicht spöttisch zu grinsen. »Sie tut mir wirklich Leid.«
»Welchen Schaden könnte es denn anrichten, eine Schönheit an Bord zu haben?«
»Das fragen Sie noch … im Ernst? Oder dreht es sich wieder um das alte Spiel? Echauffieren Sie sich nur nicht – ich bitte Sie …«
Sie unterbrach sich, und man sah ihr an, dass Sie eine Weile brauchte, um sich wieder zu beherrschen. »Möchten Sie wirklich wissen, was für ein Schaden entstehen könnte – für das Schiff, für die Mannschaft, für Ihren Clan und für Sie selbst –, sollte es sich herausstellen, dass Sav Rid Olanek nicht nur unehrenhaft, sondern auch noch überaus raffiniert ist? Angenommen, diese ach so bedauernswerte, ungemein gut aussehende Frau wäre ein Instrument, dessen sich Sav Rid bedient, wie ein Messer, das er an Ihre Kehle setzt. Der Schaden, der daraus erwächst …«
»Kayzin …« Er vollführte eine beschwichtigende Geste; in seinen
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