Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
Schlag über den Kopf bekommt, ohne Geld und ohne Freunde, aber mit einem vernichtenden Leumundszeugnis auf einem fremden Planeten zurückgelassen wird, muss dieses Ereignis erst einmal verarbeiten. Es wundert mich nicht, dass sie einen deprimierten Eindruck macht.«
»Es steckt aber noch mehr dahinter«, beharrte Lina. »Sie will geheilt werden.«
»Wirklich?« Langsam schlürfte er seinen Wein. »Und Sie können ihr nicht helfen, Lina?«
»Ich könnte schon. Aber vielleicht sollten Sie …«
»Wie bitte?« Er lachte. »Ich bin kein Heiler, Lina; ich bin der Captain.«
»Bah! Sie sind doch ein qualifizierter Heiler! Sie besitzen sowohl das Talent als auch die Ausbildung!« Nachdenklich legte sie den Kopf schräg und fasste den Captain aufmerksam ins Auge, verarbeitete Informationen, die sie auf telepathischem Wege von ihm empfing. »Shan?«
Er zuckte mit den Schultern und zog ein wenig die Stirn kraus. »Was für ein … Parfüm benutzen Sie, Lina?«
»Eines, das wir eingekauft haben. Es heißt ›Hemmungslose Lust‹.« Sie kicherte. »Rah Stee nahm Anstoß an dem Namen.«
»Kein Wunder.« Er rückte ein, zwei Schritte von ihr ab. »Der Duft ist sehr intensiv, nicht wahr? Ich erinnere mich nicht, dass Sie diesen Artikel als ›Aphrodisiakum‹ deklariert haben.«
»Es ist auch keines!« Vergnügt gluckste sie in sich hinein. »Sind Sie sicher, dass es am Parfüm liegt?«
»Verzeihen Sie«, murmelte er. »Ich habe Sie schon immer bewundert, Lina, aber bis zum heutigen Abend hätte ich jeden amourösen Gedanken weit von mir gewiesen. Wenn es kein Aphrodisiakum ist, dann kommt es einem solchen aber ziemlich nahe. Haben Sie für die Wirkung eine Erklärung?«
»Es ist der Duft …« Sie sog scharf die Luft ein, bat mit einer Geste um Erlaubnis, zur Niederen Sprache wechseln zu dürfen, und fuhr in der Tonart fort, die zwischen Freunden gesprochen wurde. »Er verstärkt den körpereigenen Geruch dessen, der das Parfüm aufträgt. Wenn man grundsätzlich die Person mag, die ›Hemmungslose Lust‹ auf ihre Haut getupft hat, dann schlägt die Sympathie in ein erotisch geprägtes Gefühl um. Aber man verliert niemals die Kontrolle über seine Triebe; dieses Duftwässerchen ist völlig harmlos, mein Freund, das versichere ich Ihnen.«
»Davon bin ich nicht überzeugt«, hielt der Captain ihr entgegen. »Auf manchen Welten gibt es Gesetze bezüglich Parfüms und Substanzen, welche – wie lautet doch gleich die offizielle Formulierung? – ›den freien Willen beeinflussen und auf diese Weise zu unüberlegten Handlungen verleiten^ So in etwa drückt man sich in der Amtssprache aus.« Er schlürfte einen Schluck Wein und trat noch einen Schritt zurück. »Tun Sie mir den Gefallen und überlassen Sie den Rest Ihres Parfüms dem Schiffslabor, Lina. Ich würde nur ungern gegen ein Gesetz verstoßen.«
»Das Parfüm ist völlig harmlos«, wiederholte sie mit Nachdruck. »Es wirkt sich keineswegs auf die freie Willensentscheidung einer Person aus; genauso wenig wie ein Heiler jemanden manipuliert, den er dazu ermuntert, sich etwas Spaß zu gönnen …«
Shan grinste. »Ich finde, dass dieser Vergleich hinkt. Um auf meine Frage zurückzukommen: Gehen Sie wirklich zu einer Party? Ich käme gern mit, aus rein akademischem Interesse, verstehen Sie? Es dürfte spannend werden zu verfolgen, wie Ihr Parfüm auf Menschen wirkt, die sich völlig arglos mit Ihnen zusammen im selben Raum befinden.«
Doch Lina versetzte ihm einen Dämpfer. »Ich bin unterwegs, um mir ein Pingpong-Spiel zwischen Priscilla und Rah Stee anzusehen. Selbstverständlich dürfen Sie mitkommen. Wenn Sie allerdings fortfahren, in dieser schon beleidigenden Art und Weise von mir abzurücken …«
Lachend bot er ihr seinen Arm. »Ich habe mich wieder im Griff. Und dieses Pingpong-Match sollten wir um keinen Preis versäumen.«
Rusty schwitzte und schnaufte vor Anstrengung; auf seinem runden Gesicht lag ein Ausdruck zwischen Verzweiflung und Verbissenheit.
Priscilla dagegen wirkte unglaublich kühl und gelassen; sie parierte die Bälle mit traumwandlerischer Sicherheit, wobei sie kaum hinzusehen schien. Immer wieder durchbrach sie seine Deckung und holte sich einen Punkt nach dem anderen.
»Einundzwanzig«, verkündete er schließlich mit heiserer Stimme. »Das glaube ich einfach nicht.«
»Doch, es ist so, Rah Stee, es steht einundzwanzig zu null für Priscilla«, warf Lina hilfreich ein. »Ich habe ganz genau mitgezählt.«
»Gerade weil es so ist,
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