Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
Frachträume, damit sie – unter den wachsamen Augen des scharfzüngigen Ken Rik – über Verteilungsdiagrammen brütete. Und natürlich suchte sie regelmäßig die Innenbrücke auf, um Flugstunden bei Janice Weatherbee zu nehmen, Zweiter Maat und Pilotin Erster Klasse.
Ich bin erst eine Woche hier, und ich scheine schon überall gearbeitet zu haben, wunderte sich Priscilla. Nicht dass sie gegen den abwechslungsreichen Dienst etwas einzuwenden gehabt hätte – ganz im Gegenteil. Die unterschiedlichen Anforderungen, die man an sie stellte, hoben ihre Stimmung, genauso wie die bunt zusammengewürfelte Crew, in der die verschiedenartigsten Charaktere vertreten waren, zu ihrer guten Laune beitrug. Die Tatsache, dass sie flexibel sein und sich ständig auf Neues einstellen musste, stimulierte und entspannte sie zugleich.
Vielleicht fand sie hier an Bord der Passage sogar richtige Freunde. Zumindest eine Freundin hatte sie bereits. Und da sie bisher noch nie wirkliche Freundschaften geschlossen hatte, kam ihr diese Beziehung vor wie ein kostbarer Schatz.
Der Lift hielt an, und als die Tür sich öffnete, stand Priscilla vor einem grellgelb erleuchteten Korridor. Über den elastischen Boden, der das Geräusch ihrer Schritte vollständig schluckte, marschierte sie den Gang entlang, der an einer Tür endete. Sie drückte ihre Handfläche gegen die Tür, die lautlos aufglitt und ihr Einlass in den Tower gewährte.
An Instrumenten flackerten und blinkten Lichter; eine Konsole gab laute Alarmtöne von sich, während auf einem in die hintere Wand eingelassenen Bildschirm orangefarbene Zahlen aufblitzten: Priscilla zählte sieben Zahlenkombinationen, die nacheinander über den Monitor huschten; nach einer Pause wurden die Kolonnen wiederholt.
Doch sie sah nur Maschinen in dem Raum; nirgendwo war eine lebende Seele zu entdecken.
»Hallo?«
»Hallo! Ja! Einen Augenblick bitte!« Hinter der Konsole im Zentrum des Towers ertönte ein hastiges, scharrendes Geräusch. Priscilla schaute gespannt in die Richtung und wäre beinahe mit einer Person zusammengeprallt, die von der anderen Seite herbeigehetzt kam.
»Sie sind Priscilla Mendoza, richtig?«
»Ja, die bin ich«, erwiderte sie und vollführte die Verbeugung, wie sie zwischen zwei Gleichgestellten angebracht war. »Und Sie sind dann wohl Tonee sig’Ella?«
»Wer sonst? Nein, wir beide sind uns noch nicht begegnet …« Die Höflichkeitsgeste wurde erwidert, wenn auch in verkürzter Form. Während Priscilla sich noch fragte, ob dieser laxe Gruß Fin Tons Billigung gefunden hätte, packte Tonee sig’Ella ihre Hand mit überraschend festem Griff und zerrte sie vor die Konsole.
»Sie verstehen sich auf das Dekodieren von Nachrichten, stimmt’s? Darf ich davon ausgehen, dass Sie bereits mit einer Bounce-Kom-Einheit gearbeitet haben und die Symbole kennen? Es gibt da ein paar Schwierigkeiten mit der Bordsprechanlage, und ich muss mich um das Problem kümmern, deshalb benötige ich hier Ihre Hilfe, verstehen Sie? Sie dekodieren die eingehenden Mitteilungen und kodieren alles, was nach draußen geschickt wird. Auf diese Weise kann ich die Störungen beheben, und wir geraten mit dem aktuellen Funkverkehr nicht in Verzug. Es wird schon alles klappen!«, schloss der winzige Techniker in triumphierendem Ton und zog den Konsolensessel zurück.
Priscilla nahm drauf Platz und betrachtete ausgiebig die Monitore, die Sender und die Empfänger. Die Ausrüstung entsprach dem üblichen Standard an Bord von Handelsschiffen, und sie fühlte sich zuversichtlich, den Anforderungen genügen zu können.
»Wie übermitteln wir die eingehenden Botschaften an die korrekten Adressaten, wenn die Bordanlage ausgefallen ist?«, erkundigte sie sich. »Könnte man vielleicht …«
»Darüber habe ich schon mit dem Captain gesprochen«, fiel der Techniker ihr ins Wort und rieb sich die dünnen, knochigen Hände. »Der Kabinensteward wird dem Tower zugeteilt und liefert die Botschaften persönlich an die entsprechenden Empfänger ab. Die Reparatur der Bordeinheit dürfte nicht lange dauern. Sind Sie mit dieser Anlage vertraut? Können Sie sie bedienen?«
»Ja, ich denke, ich komme damit zurecht.« Priscilla gab sich Mühe, sich ihr Schmunzeln zu verbeißen, denn das aufgeregte Gebaren des zappeligen kleinen Technikers reizte sie zum Lachen. »Ach so, Lina Faaldom bat mich, Sie zu grüßen. Sie sagte, während dieser Reise hätte sie Sie kaum zu Gesicht bekommen.«
»Lina!« Das koboldhafte Antlitz
Weitere Kostenlose Bücher