Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
mir nicht, obwohl er glaubt, ich sei ein Vollidiot, der keinen Wert auf persönliche Ehre legt und darüber hinaus die Ehre seiner Familie und seines Schiffes besudelt.«
Ein Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln. »Er rechnete sich aus, er würde mit seinem unsäglichen Verhalten durchkommen, Priscilla. Stellen Sie sich vor, wie überrascht er gewesen sein muss, als ich dann vor Gericht auftauchte, um für Sie zu bürgen. Im Grunde seines Herzens war er sich sicher, er sei Sie ein für alle Mal losgeworden. Obendrein äußerte ich noch Drohungen wegen der gestohlenen Ohrringe. Mittlerweile dämmert ihm, dass die Geschichte noch lange nicht zu Ende ist und ich es ihm nicht so leicht machen werde. Möglicherweise zweifelt er an meinen Fähigkeiten, diese Rechnung zu begleichen, aber er weiß, dass ich zumindest versuchen werde, mir Genugtuung zu verschaffen.«
Langsam legte sie ihren Löffel neben den Teller. »Aber ein - Tier – hat keinen Anspruch auf Regress.«
Er nippte an dem Wein, ohne den Blick von ihr abzuwenden. »Sie sind kein Tier, Priscilla. Sie sind ein Individuum mit Rechten. Man schuldet Ihnen Achtung. Gewiss, es steht Ihnen frei, auf Ihre Rechte zu verzichten, doch dann degradieren Sie sich selbst zu einem Tier. Andererseits können Sie Sav Rid klar und deutlich zeigen, dass Sie ein intelligentes, selbstbestimmtes Individuum sind, dem die gleiche Würde zusteht wie allen anderen Personen auch.« Er stellte das Glas ab, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst.
»Sav Rid hat Sie bestohlen – er nahm Ihnen Ihren Besitz, Ihr Geld, Ihre Persönlichkeit. Und Sie zogen in Erwägung, die Rolle eines Tieres zu übernehmen, indem Sie bereit waren, Ihr Leben für das meine zu opfern. Priscilla, begreifen Sie denn nicht, dass er Ihnen etwas schuldet? Wie konnte er es wagen, Ms. Collier zu befehlen, Gewalt gegen Sie anzuwenden? Wie konnte er es wagen, Ihnen das Geld wegzunehmen, für das Sie hart gearbeitet haben? Er schädigte Sie finanziell, und er beschädigte Ihren Ruf. Von Anfang an trieb er Schindluder mit Ihrer Reputation, als er Sie zur Frachtmeisterin über eine Ladung Schmuggelware machte.« Er hielt ihr seine Hand entgegen. »Möchten Sie nicht doch lieber an Bord der Passage bleiben, Priscilla? Wir zwei bringen Sav Rid gemeinsam zur Strecke. Wir sorgen dafür, dass er für das, was er getan hat, bezahlt.«
Ohne zu zögern ergriff sie seine Hand.
»Ja«, antwortete sie. »Dafür werden wir sorgen.«
Schiffsjahr 65, Reisetag 143, Vierte Schicht, 18.00 Uhr
P riscilla legte ihre Hand an die Tür. Sie glitt auf, als von drinnen ein leises »Herein« ertönte.
Lächelnd sprang Lina von ihrem Platz am Schreibtisch auf. »Priscilla! Wie geht es dir, meine Freundin?«
»Ausgezeichnet.« Priscilla erwiderte das Lächeln und nahm Linas kleine Hände in die ihren. »Bist du beschäftigt? Ich kann gleich noch einmal wiederkommen, falls du keine Zeit hast. Mein Anliegen ist nicht dringend.«
»Nein, bitte bleib, ich möchte mich gern mit dir unterhalten. Wenn ich noch eine Minute länger diesen schrecklichen Bericht lese, kriege ich Kopfschmerzen.« Sie lachte und zog Priscilla weiter in ihre Kabine hinein.
Lina hockte sich im Schneidersitz mitten aufs Bett, Priscilla nahm auf der Kante Platz.
»Und nun erzähl mir von deinem nicht dringenden Anliegen.«
»Ich fürchte, es klingt reichlich verworren«, beugte Priscilla vor und zupfte an der Steppdecke. »Aber ich muss diese Frage stellen. Sag, Lina, ist Shan yos’Galan der Captain dieses Schiffs?«
Die zierliche Frau blinzelte verdutzt. »Natürlich ist er der Captain. Soll das ein Witz sein, meine Freundin?«
»Ich sagte doch, es würde verworren klingen«, betonte Priscilla. »Gerade speiste ich mit dem Captain zu Abend …« Sie unterbrach sich. Lina faltete die Hände und wartete.
»Gerade speiste ich mit dem Captain zu Abend«, wiederholte Priscilla langsam. »Als ich ging, fragte ich ihn, wieso er sich darum gekümmert hat, mir mein Eigentum wiederzubeschaffen, das auf der Daxflan blieb, als man ohne mich weiterflog. Er sagte mir, das Schiff hätte die Sachen zurückgekauft, und ich sollte dies als einen Bonus betrachten, eine Art Wiedergutmachung, weil er mich in Gefahr gebracht hätte.« Sie legte eine Pause ein und zog die Stirn kraus. »Dann brachte ich die Ohrringe zur Sprache, denn die gehörten nicht mir, sie waren neu.«
»Und?«, hakte Lina vorsichtig nach.
»Ich bekam zur Antwort, die Ohrringe seien ein
Weitere Kostenlose Bücher