Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
genügte, um ihr Publikum in Sicherheit zu wiegen.
Die Cliquen und Grüppchen, die sich im Laufe der Party gebildet hatten, formierten sich allmählich um. Priscillas neugieriger Botschafter tuschelte mit einem Kollegen, und sie setzte ihren Gang durch den Saal fort. Nach einer Weile erspähte sie Seth, der sich tief hinunterbeugen musste, um etwas in Toness Ohr zu flüstern. Rusty und Kayzin Ne’Zame standen in der Nähe des Arrangements aus Grünpflanzen; er hatte eine förmliche Miene aufgesetzt und sprach zu ein paar Leuten, die ihn in einem Halbkreis umringten.
Und an der hinteren Wand des Saales, genau unter den gespreizten Schwingen des Drachens, entdeckte sie Shan yos’Galan; er unterhielt sich intensiv mit einer blonden Frau in Botschaftertracht. Der Captain war formell gekleidet, allerdings hatte er terranische und Liaden-Modestile miteinander vermischt: weißes Rüschenhemd, Brokatjacke, schwarze, schmal geschnittene Hosen. Von seinem rechten Ohrläppchen baumelte der tropfenförmige Amethyst. Erleichtert atmete Priscilla auf und bewegte sich unbewusst in seine Richtung.
Er blickte hoch, und sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Priscilla erstarrte; sie merkte, wie sie rot wurde.
»Ms. Mendoza?« Die Stimme, die dicht neben ihrem Ellenbogen ertönte, klang unangenehm schrill.
Sie beugte sich hinunter und lächelte die Frau mit den vielen Zöpfen an. »Ja? Was kann ich für Sie tun, Ma’am?«
Die Frau erwiderte das Lächeln, wodurch sich das Netz aus Falten in ihrer Gesichtsbemalung vertiefte, und vollführte eine ruckartige Bewegung nach vorn, die Priscilla als Verbeugung auffasste. »Ich bin Botschafterin Dia Grittle von Skansion. Frachtmeister yo’Lanna erzählte mir, dass Sie vom Planeten Sintia stammen.«
Priscillas Lächeln gefror auf ihren Zügen, und sie spürte, wie ihr alles Blut aus den Wangen wich. Zum Glück schien Botschafterin Grittle nichts zu merken.
Priscilla räusperte sich. »Der Frachtmeister hat Recht, Ma’am …« Sie ließ den Satz mit einem fragenden Unterton ausklingen.
Die Botschafterin nickte heftig mit dem Kopf. »Das dachte ich mir, gleich als ich Sie hereinkommen sah. Sie sind Ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten.«
Priscilla holte tief Luft und zwang sich dazu, ruhig ein- und auszuatmen. Nicht hier, Gütige Göttin, flehte sie in Gedanken. Nicht jetzt.
»Lady Mendoza. Botschafterin Grittle. Bitte verzeihen Sie die Störung. Hier ist jemand, der darauf brennt, Sie kennen zu lernen, Mylady.« Der Sprecher war Mr. dea’Gauss. Vor Erleichterung bekam Priscilla weiche Knie. Insgeheim sandte sie ein Dankgebet an die Göttin.
Das Lächeln, das sie dem kaufmännischen Berater der Korvals entbot, kam aus vollem Herzen. »Dann bitte ich Sie, uns einander vorzustellen, Sir.« Botschafterin Grittle murmelte etwas Unverständliches, aber zweifellos Korrektes. Mr. dea’Gauss verbeugte sich und deutete auf den Gentleman an seiner Seite.
»Priscilla, Lady Mendoza, gestatten Sie mir, Sie mit Richter Abrahanthan Zahre bekannt zu machen.«
Ein Herr in raschelnden, rubinroten Gewändern streckte ihr seine schmale, glatte Hand entgegen. »Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Lady Mendoza. Vor allen Dingen, weil ich so die Gelegenheit erhalte, mich persönlich bei Ihnen zu entschuldigen.«
»Ich verstehe nicht, Sir …« Priscilla zog die Stirn kraus, dann erhellte sich ihre Miene. »Der Haftbefehl!«, rief sie überrascht. »Den hatte ich schon ganz vergessen. Ich bitte Sie sehr, Sir, diese Angelegenheit gleichfalls aus Ihrem Gedächtnis zu tilgen.«
»Sie sind sehr nachsichtig.« Der Richter lächelte und verneigte sich. »Trotzdem möchte ich betonen, dass es nicht zu meinen Gepflogenheiten gehört, jemanden aufgrund von derart fadenscheinigen Beweisen, wie Händler Olanek sie mir präsentierte, als Dieb zu brandmarken. Der Herr wirkte ziemlich überzeugend, das kann ich wohl sagen. Aber ich diene dem Gesetz, und ich fühle mich der Wahrhaftigkeit verpflichtet. Dieser Haftbefehl hätte niemals ausgestellt werden dürfen.«
»Haftbefehl?« Botschafterin Grittle glotzte den Richter in fassungslosem Entsetzen an. »Sie haben einen Haftbefehl ausgestellt! Haben Sie sich denn nicht die Zeit genommen, über die Angelegenheit nachzudenken, Sir? Wussten Sie nicht, mit wem Sie es zu tun haben?« Sie schnappte nach Luft, und ihr ohnehin lautes Organ wurde immer schriller. »Allein die bloße Vorstellung, dass eine Mendoza von Sintia eine Diebin sein könnte, ist
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